Oh, there he is…

Doch immerhin siebeneinhalb Monate habe ich gebraucht, um mich dem „Roadtrip Map“-Problem einmal ernsthaft anzunehmen. Ich wollte meine Roadtrips von Beginn weg auf einer Online-Karte einzeichnen, damit – wer will – mitverfolgen kann, wo genau ich jeweils stecke. Doch, irgendwie hat mich keiner der Onlinekarten-Anbieter wirklich überzeugt. Und so blieb mir nur eines: back to the primitive. Ich habe eine hochauflösende US-Karte runtergeladen und mit Paint meine Roadtrips eingezeichnet. Es hat bestens funktioniert. Ab sofort kann man unter der Rubrik „Roadtrip Map“ nachschauen, wo ich bin und wo ich war. Neben meinem grossen Roadtrip (rot) habe ich auch die kürzeren Trips während meiner Flagstaff-Zeit eingezeichnet (schwarz). Unten links auf der Karte ist eine Skizze meines Hawaii-Trips.

Na dann, trackt mich down und geniesst den Tag!

Werbung
Veröffentlicht unter Roadtrip | 2 Kommentare

White

„Titanic“ hiess eines meiner Lieblingsbücher als Kind. Das Buch erzählt die fiktive Geschichte von fünf Menschen, die in verschiedensten Positionen (vom Erste Klasse-Passagier bis zum Küchengehilfen) auf der Titanic mitreisten und den Untergang des Riesenschiffes miterlebten. Eine der fünf Personen ist der erste Violinist des Schiffs-Quartetts, das kurz vor dem fatalen Zusammenprall auf dem Oberdeck der Titanic zu spielen beginnt. Das Schiff bricht entzwei, Menschen fliehen in Panik zu den Rettungsboten, die untergehenden Schiffshälften richten sich langsam auf. Doch, der erste Violinist entscheidet, weiterzuspielen. Er entscheidet sich, der Katastrophe mit seinen Mitmusizierenden zu trotzen und zu spielen, bis es nicht mehr geht. Wenigstens etwas schöne Musik sollen die panischen Menschen rund um ihn herum noch hören, bevor sie allesamt untergehen. Jetzt aufzuhören wäre falsch. Die Geschichte des Violinisten endet an dem Moment, als er – noch immer spielend – sich nicht mehr auf dem Deck halten kann und im freien Fall in die Tiefe stürzt. Dieses fiktive Schicksal ist mir über all die Jahre in Erinnerung geblieben. Es hat mich oft zum Nachdenken angeregt und scheint mir heute eine tragische, aber gute Metapher für meine eigene Situation zu sein. Die Welt rund um mich, rund um euch, rund um uns alle, scheint im Chaos zu versinken. Japan droht die ultimative atomare Katastrophe, in Nordafrika herrscht ein brutaler Bürgerkrieg. Und ich, ich sitze auf dem Oberdeck, scheinbar unbekümmert über den drohenden Untergang, und lausche vergnügt der Musik.

Es ist gar nicht so einfach, unter den momentanen Umständen zu Reisen, zu Geniessen und in eine im grossen und ganzen doch ach so heile Welt abzutauchen, wenn gleichzeitig Millionen von Menschen um ihr Leben und ihre Sicherheit fürchten müssen. Doch, was soll ich tun? Jetzt das Steuer rumzureissen, die Reise abzubrechen und mich irgendwie behilflich machen, das könnte den Aufprall kaum noch verhindern. Mit voller Wucht auf den Eisberg zuzurasen und alle Gefahren und Risiken zu ignorieren, das kann ich kaum verantworten. Und so bleibt mir die Musik, der ich gespannt und entzückt lausche, während meine Gedanken oft um den drohenden Untergang kreisen. Die Musik und der Untergang. Ich versuche, die Balance zu finden, und gehe dem Grat entlang, in der Hoffnung, neben den wunderbaren Klängen die tosenden Fluten unter mir nicht zu vergessen, und umgekehrt, mich durch das Kreischen und Schreien nicht zu sehr von der Musik ablenken zu lassen.

Es ist mir ein Anliegen, nicht den Anschein zu erwecken, als ob ich unbekümmert und quickfidel durch die USA trappen würde, ohne mich um „den Rest“ zu kümmern. Ich hoffe, ihr nehmt es mir nicht übel, wenn ich trotz all dem Leid weiter meinen Blick auf das Schöne in dieser Welt und in diesem Land richte. Ich spiele die schöne Musik zum Untergang. Wer will, darf hinhören…

Where there ain’t nothing but white…

Meinen Homestate habe ich am Montagmorgen, nachdem meine NAU-Mates wieder in den hohen Norden Arizona’s abgereist waren, Richtung Westen verlassen. Mein Ziel: Alamogordo, eine isolierte Kleinstadt im Süden New Mexico’s, in deren unmittelbarer Umgebung US-Forscher des Manhattan Projects (ich komme bald darauf zu sprechen) in den 1940er Jahren zahlreiche Atomtests durchführten und ganze Landschaftsstriche zu Übungszwecken kaputtbombten. Alamogordo, das ist jener Ort, auf dessen Camping-Platz ich meinen amerikanischen Laptop überfuhr und an dem ich nur durch langes, gutes Zureden zu mir selbst nicht die Nerven verlor. Ich ging früh ins Bett (ich schlief im Subaru, da im Radio Warnungen für nächtliche Sandstürme durchgegeben wurden), um mich nicht länger ab mir und meinen Fahrkünsten nerven zu müssen und um fit zu sein für die Hikes, die ich für den kommenden Tag im White Sands National Monument geplant hatte. Geweckt wurde ich durch lautes Klopfen an meine Fensterscheibe (das kannte ich ja schon, seit meiner nächtlichen Bekanntschaft mit der Polizei auf Oahu). Draussen standen zwei ältere Herren, Typ Hillbillies, die mich aufforderten, die Tür zu öffnen. Im Schlafsack eingepackt und ziemlich verschlafen öffnete ich und musste mir ein lautes Gewitter von Anschuldigungen anhören. Was mir denn einfiele, einfach so hier zu parken? Ob ich wisse, dass ich auf privatem Grund sei? Ob ich ihnen die Busse gleich jetzt bezahlen wolle? Vielleicht kennt ihr das wohlige Gefühl, wenn euch jemand – aus welchem Grund auch immer – zusammenstaucht und ihr, noch während ihr euch die Anschuldigungen anhört, ganz genau wisst, dass ihr im Recht seid. Ich jedenfalls lächelte und hörte den Herren zu, bis sie verstummten. „I paid the full amount for an RV Hook-Up Space. It’s in the Deposit Box at your office. You better check that box before you wake up your paying customers. Have a good day!“ Ich knallte die Tür zu und drehte mich in meinem Schlafsack demonstrativ auf die andere Seite. Was die Hillbillies taten, weiss ich nicht. Auf dem Weg zur Dusche etwa eine Stunde später kam mir ein weiterer älterer Herr entgegen, der mich um Entschuldigung für das Benehmen seiner Angestellten bat und mir zwei Gratis Laundry-Coupons überreichte, die ich seither in meinem Handschuhfach rumchauffiere. Immerhin.

Frisch geduscht und einigermassen erholt vom Laptop-Schock des Vorabends fuhr ich zum White Sands Monument, schlüpfte in meine Hiking Boots und wanderte bis zum Sonnenuntergang durch eine Landschaft, die mir sprichwörtlich den Atem raubte. Die White Sands Wüste ist wohl die unwirklichste und zugleich schönste Landschaft, die ich in den USA bisher gesehen habe. Nicht so imposant wie der Grand Canyon, nicht so anmutig wie das Yosemite Valley, aber von einer ruhigen und einzigartigen Schönheit, die ich fast nicht fassen konnte. Niemand, wirklich niemand ausser mir war in den White Sands unterwegs. Es war totenstill, strahlend blau und blendend weiss. Und ich lief und lief durch schneeweisse Dünenfelder und vorbei an schneeweissen Felsen, die mir für eine Weile willkommenen Schatten spendeten. Die Formen, die schlichte Farbe und diese herrliche Einsamkeit waren überwältigend. Es fällt mir fast ein wenig schwer, aber, wenn ich meine US-Erlebnisse in ein Ranking einordnen müsste, dann würde das White Sands Monument den Grand Canyon vom Thron stossen. Diese Landschaft scheint mir unschlagbar schön. Gehet hin und staunet! Es ist der Wahnsinn…






Weiss Gott wie sie das hinkriegen, aber auch hier in dieser wunderbaren Einöde, ohne Wasser und praktisch ohne Schatten, gibt es zahlreiche Tiere und Pflanzen, die den Umständen trotzen und gedeihen. Das Mariechäferli war zwar das einzige lebendige Tier, dem ich begegnete. In den White Sands gibt es aber auch Hasen, Füchse, Echsen, Schlangen und alle möglichen Nager. Die meisten sind schneeweiss. Darwin hätte seine Freude an der Region gehabt, wäre er hier vorbeigekommen…

And then, the sun set. Es war traumhaft…


Ich wollte es nicht riskieren, noch einmal von zwei älteren Herren unsanft geweckt zu werden, und entschied mich, Alamogordo für die Nacht hinter mier zu lassen und auf dem „Billy The Kid Scenic Byway“ Richtung Norden zu fahren. Übernachtet habe ich in einem Motel in Capitan, jenem Ort, an dem der offenbar weltberühmte „Smokey Bear“ (Symbol der amerikanischen Brand-Präventionskampagnen) aufgezogen und nach seinem Tod begraben wurde. Eigentlich hätte ich die Nacht gerne in Lincoln verbracht. Das kleine Nachbardorf von Capitan ist im Stil des späten 19ten Jahrhunderts gehalten und verzichtet auf sämtliche künstliche Beleuchtung in der Nacht. Keine Strassenlaternen, keine blinkenden Reklamen, keine Verkehrsampeln. Als ich kurz vor Mitternacht durch Lincoln fuhr, hielt ich am Strassenrand an und spazierte einem Bächlein entlang zu jenem Bed&Breakfast, von dem ich in meinem Lonelyplanet gelesen habe. Das B&B war stockdunkel, kein Licht, kein Geräusch, nichts. Ich schlich um das Gebäude und checkte die Rückseite. Auch da, nichts. Und irgendwie packte mich dann doch die Angst, da ganz alleine, ohne Licht und ohne nichts im Garten einer verlassenen Pension. Ich rannte dem Bächlein entlang zurück zum Subaru und brauste davon Richtung Capitan. Dabei wollte ich es aber dann doch nicht belassen. Und so fuhr ich am nächsten Morgen zurück nach Lincoln und spazierte durch die Gassen. Das Bed&Breakfast, übrigens, gibt es nicht mehr. Das Haus steht leer…

So, der Rückstand ist aufgeholt. Von jetzt an sind die Blog-Posts wieder real time. Bes gly, ond möcheds guet…

Veröffentlicht unter New Mexico | Kommentar hinterlassen

Homestate

„Born and raised in…“, so beginnt praktisch jeder Amerikaner, wenn man ihn fragt, woher er denn sei. Born and raised in Iowa, born and raised in Connecticut, born and raised in irgendwo. Und auch wenn viele junge Amerikaner im College-Alter aus ihrem „born and raised“-Staat wegziehen und irgendwo im Land ihr Studium beginnen, so ist es doch auffällig, mit welchem Stolz viele ihren Heimatstaat an die grosse Glocke hängen. Sei es in Form von Football Team-Shirts, Autoaufklebern oder Baumwoll-Hoodies. Ich habe mich bei uns in der Schweiz gar nie gross darauf geachtet. Haben wir denn auch einen so dominanten Kantönli-Geist? Laufen wir auch alle mir Aargauer-, Züri- oder Walliser-T-Shirts und Pullis rum? Zugegeben, ich behaupte jeweils gerne, dass meine „Wurzeln“ in „Lozärn“ lägen, wenn mich jemand auf all meine „ää’s“ anspricht. Etwas enttäuscht habe ich aber vor etwa einem Jahr festgestellt, dass ich wohl doch nicht ganz als waschechter „Lozärner“ durchgehen würde. Ein richtiger Lozärner, dem ich in Züri über den Weg lief, fragte mich aus heiterem Himmel: „besch usem Aargau, gäu?“

Your point being? … Ach ja, mein Punkt. Was ich sagen wollte: hier in den USA ist der Heimatstaat ein wichtiger Teil der persönlichen Identität. Ob man aus Texas, Idaho oder Wyoming kommt, ist von grosser Bedeutung, und wird daher auch allen Interessierten und nicht-Interessierten auf diversen Wegen mitgeteilt. Nun, auch ich habe mich dahingehend amerikanisiert und stolz einen „Flagstaff Arizona“ Kleber auf meinen Subaru geklebt. Und, wann immer ich in einem „fremden“ Staat einem Auto mit einer „Grand Canyon State“-Nummer begegne, fühle ich mich ein klein Wenig verbunden (cf. Roadbuddies…). Soweit bin ich zwar noch nicht, dass ich irgendwelchen Leuten hier erzählen könnte, ich sei „born and raised in Arizona“. Das lässt mein Akzent nach wie vor nicht zu, obwohl mir vorgestern zum ersten Mal jemand nach einer mehrminütigen Unterhaltung sagte: „Oh, Switzerland, really? I thought you were American.“ Aber immerhin freute ich mich sehr, nach meinen ersten Roadtrip-Wochen für ein paar Tage zurück nach Arizona zu kommen und mit meinen Ex-NAU-Mates die Gegend rund um Tucson (man sagt „Tiusoon“, was mir bisher niemand schlüssig erklären konnte. Eigentlich müsste das doch „Tagsen“ heissen, nicht?) zu erkunden.

Tucson – die Stadt, in der vor ein paar Wochen ein Irrer wild um sich schoss, 13 Menschen tötete und für internationale Schlagzeilen sorgte, weil unter den Opfern auch eine US-Polikterin war – ist eine langgezogene, typische US-Kleinstadt mit der ganzen Palette an Billig-Hotels, Schnellimbiss-Restaurants und Supermärkten. Die Stadt selbst ist kaum erkundenswert, im Gegensatz zum Saguaro National Park, der die Stadt mit einem westlichen und einem östlichen Teil umrahmt. Benannt ist er nach den riesigen Saguaro Kakteen, für die Arizona berühmt ist. Gemeinsam mit Carmen, David, Glenn und Marco bin ich durch die Kakteenfelder geschlendert und habe die Statussymbole meines Homestates bewundert. Stachlig, but beautiful…





Ich komme trotz all den wunderbaren Landschaften und Orten, denen ich hier in den USA begegne, nicht umhin, das tragische Zeitgeschehen mitzuverfolgen. Wenn ich den Eindruck erwecke, unbekümmert über die Ereignisse in Japan oder die Revolutionen im arabischen Grossraum hinwegzuschauen und ab all der Schönheit der amerikanischen Landschaft die Welt rund um mich zu vergessen, dann täuscht das. Ich bleibe am Ball, so gut ich das mit den mir zur Verfügung stehenden Medien kann. Doch irgendwie glaube ich, dass es nicht angemessen wäre, das Weltgeschehen auf insideusa.ch immer up to date zu kommentieren.

Doch, gerade heute gab mir die Tsunami-Katastrophe im Pazifikraum viel zu denken. Ich habe auf CNN einen Bericht über die Ankunft der Wellen auf Hawai’i gesehen. Die Region rund um Kailua-Kona auf der Big Island wurde offenbar komplett überflutet. Auf CNN haben sie Bilder der heranrollenden und überschappenden Wellen gezeigt, die auf die glücklicherweise evakuierten Häuserzeilen entlang den Stränden zudonnerten und Autos, Masten und Bäume ummähten. Kailua-Kona, das ist jene Region, in der ich vor vier Wochen am Strand campierte. Ich bin froh, aus sicherer Ferne von der Gewalt der Tsunami-Wellen erfahren zu haben. Dennoch wäre es trotz der tragischen Situation in Japan und auf Hawai’i faszinierend, jetzt auf der Big Island Insel zu sein: der Kilauea Vulkan, durch dessen Krater ich auf der Big Island wanderte, brodelt und speit im Moment offenbar heftig. Ethan Tweedie, den ich auf einer Island-Tour in Hawai’i kennenlernte, hat das in einem genialen Foto festgehalten. Hier der Link zum Bild (einmal runterscrollen, dann seht ihr es).

Bis bald, und lasst von euch hören!

Veröffentlicht unter Arizona | Kommentar hinterlassen

God Never Fails

Wer sich auf einen szenischen Einstieg in den heutigen Blogpost freute, den muss ich für einmal enttäuschen. Heute gibt’s keinen Auftakt à la in medias res. Beginnen möchte ich für einmal mit einer Danksagung: Ganz herzlichen Dank nach Küssnacht am Rigi, wo die beiden Sponsoren meines neuen Laptops hausen. Dank ihrer grosszügigen Spende kann – wer will – weiterhin mitverfolgen, was „inside usa“ so alles abgeht. Vorausgesetzt natürlich, dass ich den neuen Laptop (es ist ein Occasion Acer, dessen einziges Manko die Leertaste ist, die ich jemals zweimal „hauen“ muss, bis sie für grammatisch korrekte Leere sorgt) nicht gleich wieder überfahre…

Freude herrscht hier in den USA. Mindestens bei Kaffee-Liebhabern wie mir. Seit gestern nämlich schenkt Starbucks zum 40jährigen Firmenjubiläum seinen neuen „Tribute-Blend“ aus. Nach über 230 Tagen verwässertem amerikanischen Kaffee staunte ich nicht schlecht über die richtiggehend gute neue Mischung. Und so gibt es für mich (neben dem gratis WiFi) neuerdings einen zweiten Grund, alle paar Tage mal in einer Starbucks-Filiale vorbeizuschauen.

Nach einer wunderschönen Fahrt entlang dem „Turquoise Trail“, einem „National Scenic Byway“ durch die bergige Landschaft zwischen Albuquerque und der nördlichen Grenze New Mexicos, bin ich gestern Abend in Santa Fe angekommen. Santa Fe ist eine der ältesten noch stehenden westlichen Siedlungen Nordamerikas und hat mich architektonisch entzückt, temperaturtechnisch negativ überrascht und politisch geschockt. Doch, dazu mehr beim überübernächsten Mal. Zuerst möchte ich blogtechnisch nachholen, was es seit meiner Laptop-Panne noch nachzuholen gibt.

Von Los Angeles aus trippte ich während zwei Tagen Richtung Tucson, Arizona, wo ich mich am vergangenen Wochenende mit meinen ehemaligen „NAU-mates“ für ein Nationalparkweekend traf. Allzu viel Zeit blieb mir leider nicht, um die Desert Zone des südlichen Kaliforniens abzuklappern. Doch zwei Stopps habe ich mir auf der langen Fahrt von LA nach Tucson gegönnt. Auf dem Weg, übrigens, hat mein Subaru die 200’000 Meilen (320’000 Kilometer) Grenze überschritten. Ich bin zuversichtlich, auch die 222’222-Grenze bis Anfang August noch zu knacken… Stop #1 war der Salton Sea, der grösste See Kaliforniens, der Anfang des 20ten Jahrhunderts bei einem an sich tragischen Unfall entstand. Einer der Hauptdämme des umgeleiteten Colorado Rivers (der für die Bewässerung fast des gesamten Südwestens „missbraucht“ wird) hielt dem Druck nicht mehr stand und flutete das gesamte Imperial Valley, das sich sozusagen über Nacht von einer Wüste in einen See verwandelte. Mehrere Siedlungen und eine der grössten Rohstoff-Abbau-Fabriken der USA wurden von den Wassermassen verschluckt. Der Salton Sea hat keinen natürlichen Abfluss und liegt 66 Meter unter Meereshöhe. Diese zwei Umstände (wieso auch immer) sind für den ungewöhnlich hohen Salzgehalt des Sees verantwortlich, der heute Zwischenhalt für viele Zugvögel und Zuhause für Millionen von Salzwasserfischen ist. Letztere, allerdings, scheinen kein gutes Jahr zu haben. Bei meinem „Beachwalk“ spazierte ich nicht über Sand oder Steine, sondern über tote Fische, die unter meinen Füssen knuspernd einbrachen und für eine nicht eben appetitliche Brise sorgten…

Stop #2 war der Salvation Mountain im kalifornischen Örtchen Niland (wer den Film „Into The Wild“ gesehen hat, dem kommt der Salvation Mountain vielleicht bekannt vor). Dort, mitten in der Wüste, hat der amerikanische Freiluft-Künstler Leonard Knight mit Tonnen von Holz, Zement und Farbe einen kunterbunten Schrein errichtet, der mit tief-religiösen Slogans versehen alle Besucher daran erinnern soll, dass „God Never Fails“. Daran wird man in diesem Land zwar ohnehin jeden Tag auf verschiedensten Kanälen erinnert, zugegebenermassen aber selten auf so farbige und fantasievolle Weise…



Bald wirds hier stachlig, weiss und kritisch. Ich hoffe, ich kann meinen „Rückstand“ bis in ein paar Tagen nachholen. Abschliessen möchte ich für heute mit Neuigkeiten aus der Familie, oder Fast-Familie: David Roth, Göttibueb meiner Mutter (und damit nach amerikanischer Definition mein „cousin“), ist neuer Präsident der JUSO Schweiz. Da darf man doch fast ein bisschen stolz sein, oder? Na dann, auf die Überwindung des Kapitalismus und einen kollektiven Fränkli-Regen. Prost, Genossen, und toitoitoi Dave!

Veröffentlicht unter California | Kommentar hinterlassen

Bits and Pieces

Vorspann: Ich habe den untenstehenden Eintrag vor etwa einer Woche verfasst und kam vor meiner heldenhaften Laptop-Tat leider nicht mehr dazu, ihn aufzuschalten. Das Laptop-Problem hat sich inzwischen aber in wundersamer Weise von selbst gelöst und dem Bloggen steht nichts mehr im Weg. Ich versuche, meinen Rückstand in den kommenden Tagen aufzuholen. Dig in!

Ich und Engel? Das ist bekanntlich kein sehr guter Match. Nun, wie bekannt das ist, weiss ich gar nicht. Ich kanns auf diesem Weg aber offiziell bekannt machen: ich und Engel, das ist kein sehr guter Match. Nicht, dass ich etwas gegen die fantastische Vorstellung geflügelter Wesen hätte, die für uns zum Rechten schauen und sich als Schicksalshüter in unsere Dienste stellen. Nur scheint mir die Existenz solch himmelgesandter Wunderwesen leider zweifelhaft. Anyway; dass ich und Engel kein sehr guter Match sind, hat sich mir bei meinem ersten Besuch in LA, der City of Angels, bestätigt. Ich habe mich unwohl gefühlt an diesem Ort, an dem annähernd so viele Menschen wohnen wie in der Schweiz, der 24/7 blinkt und smogt und heult und der  die gesamte Fläche zwischen den kalifornischen Sierras und der Pacific Coast für sich in Anspruch zu nehmen scheint. LA war mir ungeheuer.

Doch, manchmal ist es lohnenswert, sich von ersten Eindrücken nicht beeindrucken zu lassen und den Orten und Dingen eine „zweite Chance“ zu geben. Und so habe ich vor ein paar Tagen schweren Herzens die zentralkalifornische Küste gegen Süden hin verlassen und mich ins Verkehrsgetümmel von Los Angeles gestürzt. Den ersten Halt machte ich in der „Ronald Reagan Library“, einem topmodernen und wunderschön in den Santa Monica Hills gelegenen Museum, das den Ex-Präsidenten in allen nur erdenklichen Tönen in den Himmel ehrt und lobt. Der Patriotismus in den Museumshallen war fast unerträglich intensiv, die Ikone Reagan kommt besser weg, als sie das meiner bescheidenen Einschätzung nach verdient hätte. Doch, in einer Zeit, in der die Menschen in diesem Land ihren um Fortschritt im Gesundheits- und Sozialwesen bemühten Präsidenten als sozialistisch verblendeten Anti-Amerikaner betrachten, kommt das konservative Cowboy-Idol Reagan wieder in Mode. Ich habe in den letzten Tagen dutzende von Autos mit „I WANT REAGAN BACK NOW“-Aufklebern gesehen. Anyway, das Museum war trotz allem einen Besuch wert. Besonders wegen der Airforce One (das Flugzeug wurde nach Präsident Bush durch ein neues ersetzt), die in einem Glaspavillon ausgestellt ist und die man sich auf einem geführten Rundgang ansehen kann.

Zweiter Halt war das Palms Boulevard in Venice Beach, wo die Ganzoni Family (Verwandte meiner Freundin) wohnen. Donna, Nick, Jackie und Jonas haben mich während meinen LA-Tagen herzlichst bei sich aufgenommen und meinen Verdacht bestätigt: jeder Ort, sogar der Moloch Los Angeles, wird sympathisch, sobald man von netten Menschen umgeben ist, die sich einem annehmen und sich um einen kümmern. Thank you, Ganzonis (don’t worry, I’m working on some English posts… stay tuned!). LA müsse man in „bits and pieces“ geniessen, riet mir Nick. Einen Gesamtüberblick gäbe es nicht. Und so pickte ich mir ein paar Stadtquartiere aus dem Mega-Town raus und tauchte ein…

Venice scheint mir nach fünf Tagen in LA der mit Abstand schönste Stadtteil zu sein. Der direkte Meeranschluss, der lange Strand mit all seinen ausgeflippten Shops und Künstlern, die Palmen-gesäumten Quartierstrassen, die Restaurant-Szene und die Venice Canals (eine moderne architektonische Interpretation des italienischen Venezia) tragen zum gemütlichen Vibe des Stadtteils bei…


Der Beach selbst ist eine sympathische Freakshow, gespickt mit bettelnden Punks, musizierenden Hippies, Medical Marihuana Dealern (Hash ist in Kalifornien illegal, ausser der „Doctor“ verschreibt es einem als medizinische Substanz. Das entsprechende „Arztzeugnis“ kann man sich direkt am Strand kaufen) und allerlei alternativen Artists…


Nach meinem ersten amerikanischen Kirchgang (dem intensive und gute Diskussionen mit meinen beiden Mit-Kirchgängern Donna und Nick folgten) nahmen mich die Ganzonis mit auf die Baldwin Hills, eine grüne Insel inmitten der Stadt, von der aus man die ganze City, von den Hollywood Hills bis nach Downtown, überblicken kann…

Den dritten LA-Tag verbrachte ich spazierend im Downtown-Gebiet. Sightseeing Highlight war wohl die Walt Disney Music Hall, die mich sehr an die Konzertbühne im Millenium Park in Chicago erinnerte. Wenn ich so zurückdenke, dann scheint mein Besuch in der Windy City Jahre zurückzuliegen… Anyway. Interessant ist auch die Cathedral of our Lady of the Angels. Die Orgel, finde ich, ist sehr amerikanisch. Die Waffen (oder Orgelpfeifen) sind gezückt, als ob man Eindringlinge in allen Tonlagen fernhalten möchte. Eigentlich könnte man da auch sagen, die Orgel sei sehr schweizerisch. Auf jedenfall schienen mir die aggressiven Orgelpfeifen erwähnenswert. Etwas unheimlich war es mir beim Spaziergang entlang der San Pedro Street, wo sich hunderte von Obdachlosen niedergelassen haben, wo Menschen in langen Schlangen vor den Missionen stehen und auf ein Essens-Paket hoffen, und wo sich drei mir im potentiellen Nahkampf wohl überlegene Afro-Amerikaner sehr für meine Kamera interessierten…




Der Point Dume State Park nördlich von Malibu schien mir am vierten Tag ein guter „Fluchtpunkt“, um mich ein wenig vom Grossstadtlärm zu erholen. Vom Strand aus habe ich Delfine gesehen, die sich mit allerlei Vögeln an einem Fischschwarm (so nehme ich an) sattfrassen. Die „Doppeltaube“ auf Bild 5 hat mich an die „New York Trilogy“ von Paul Auster erinnert. Ich werde darauf zurückkommen…


Am letzten LA-Abend schaute ich mir mit Jonas und Nick im Staples Center das NBA-Game der LA Clippers gegen die Houston Rockets an. Im Gegensatz zu meinen Erfahrungen mit American Football und Baseball hat mir das NBA-Game ausgesprochen Spass gemacht. Bald bin ich ja in Miami. Und vielleicht kann ich meiner dortigen Begleitung ja einreden, dass sie mich an ein Spiel der Miami Heat (dem Star-Team der Saison) begleitet… Genial war die Ausstellung „Extreme Exposure“ im Annenberg Space for Photography. Das Museum zeigt zur Zeit Wildlife- und Landschaftsbilder von fünf Top-Fotografen. Wer will, kann sich praktisch die ganze Ausstellung auch online ansehen (hier der Link). Klickt euch rein, es lohnt sich! Seit meinem Besuch im Annenberg Space weiss ich übrigens, dass es offenbar doch möglich ist, den aufgehenden Mond so zu fotografieren, dass man die Kraterkonturen UND die irdische Landschaft klar sieht. Da habe ich also noch etwas zu tun… Weniger genial war die Ausstellung zur Evolutionstheorie im „Biggest Dinosaur of the World“, die ich mir auf meinem Weg Richtung Arizona angeschaut habe. Die Aussteller versuchen den Besuchern in „scientific articles“ klar zu machen, dass Menschen und Dinosaurier vor 6’000 Jahren ko-existierten und dass die Darwinsche Evolutionstheorie grundsätzlich falsch und abzulehnen sei. Ich hoffe, dass diese irren Ideologien bald aussterben…

What’s next? Ich bin on the way back to Arizona. Bis bald und macht’s gut…

Veröffentlicht unter California, Los Angeles | 2 Kommentare

FAIL ERROR

Alamogordo, New Mexico: Draussen tobt ein Sandsturm, drinnen im Office des Boot Hill Campgrounds ist es warm und gemütlich. Mir fehlt die Energie, ins Detail zu gehen. Ich bin etwas zu „durcheinander“, down und vorwurfsvoll gegenüber mir selbst, um mich hier lang ausschweifend über die Umstände auszulassen. Ich werde das nachholen, versprochen. Vorerst nur soviel: ich habe mit meinem Auto meinen amerikanischen Laptop überfahren. Fragt gar nicht erst… Vorerst heisst das: Blogpause, bis ich einen Ersatzlaptop gefunden habe. Hier draussen in der Wüste wird mir das nicht gelingen. Ich werde mich in ein paar Tagen in Santa Fe umschauen. In der Zwischenzeit könnt ihr mir gerne aufmunternde Kommentare posten oder mehr oder weniger fette Summen auf mein Laptop-Konto kleistern, so that the blog goes on…

Wir melden uns bald, ich und der technische Teufel, der laut lachend in meinem Nacken hockt und sich die Hände reibt.

Cya…

Veröffentlicht unter Uncategorized | 3 Kommentare

Seals All Over

Ein Studienfreund von mir, der zur Zeit in England an einer Schule unterrichtet und – wie ich – über seine Ausland-Erlebnisse blogt (hier der Link zum Blog) hat vor einiger Zeit damit begonnen, „Short Stories“ auf seinen Blog zu stellen. So nennt er die Kurzzusammenfassungen seiner eigentlichen Blogeinträge. Die wurden notwendig, weil sich seine Leserschaft offenbar über die Länge und den Rhythmus seiner Artikel beklagte und mit Lesen nicht mehr mitkam. Nun, ich habe bis jetzt noch keine solchen Complaints erhalten und schreibe mir hier deshalb nach Lust und Laune die Finger wund, bis mir mal einer sagt, etz längts! Schliesslich soll man die Feste feiern wie sie fallen, und die Blogs bloggen wie sie blubbern, oder so ähnlich.

Auf meiner Reise durch Südkalifornien bin ich noch immer nicht dort, wo ich eigentlich sein sollte. Ich bin nämlich eigentlich noch gar nicht in Südkalifornien. Die Autos hier schmücken sich mit „NOR CAL“ Klebern und geben Eindringlingen aus dem Süden unmissverständlich zu verstehen, dass das hier noch nichts mit dem Süden zu tun hat. Angekommen bin ich heute Abend in Cambria, einer kleinen, wie mir scheint steinreichen und schmucken Ortschaft etwas südlich vom berühmten Big Sur-Küstenabschnitt, einem der Highlights auf der Fahrt entlang dem Highway 1, dem „Pacific Highway“. Eigentlich hätte ich gestern schon hier sein wollen. Aber, die kalifornische Küstenlandschaft gefällt mir zu gut, um hier einfach so schnell wie möglich durchzurasseln. Also habe ich das Tempo gedrosselt und nehms ein wenig gemächlicher.

Gestartet bin ich heute morgen in Monterey, einem kleinen Städtchen, das um 1770 von spanischen Entdeckern gegründet wurde und mit Brauereien, Restaurant-Zeilen und dem Meeresbiologischen Institut der Stanford University protzt. Auf meinem Spaziergang entlang der Pazifik-Küste habe ich zudem ein paar kalifornische Kondore gesehen, die tieffliegend ihre Kreise zogen…

Erst auf den zweiten Blick ist mir aufgefallen, dass die unbeweglichen schwarz-braun-grauen Flecken auf dem Strand vor dem Stanford Institut keine Steine, sondern Seehunde sind. Dutzende lagen da herum, und warteten wie ich auf die durchbrechende Sonne…

In Monterey bog ich auf den Highway 1 ein und genoss die kurvige Fahrt südwärts entlang der schroffen Pazifik-Küste…

Halt machte ich in der Henry Miller Memorial Library. Zwar hatte ich noch nie von Henry Miller gehört (das ist offenbar ein amerikanischer Autor, der sich im 20ten Jahrhundert mit Büchern wie „Black Spring“ auf die Zensurlisten der Vereinigten Staaten schrieb, bis er in den Sechziger Jahren für den Nobel Preis nominiert wurde und die Amis einsehen mussten, dass vielleicht doch mehr in Miller’s Büchern steckt als nur zensur-würdige Phrasen), aber die Idee einer Bibliothek inmitten der dichten Redwood Wälder an der Pazifik-Küste gefiel mir. Die Bibliothek selbst ist eher ein Buchladen mit angrenzendem Park, in dem es neben ein paar Akt-Statuen auch dieses Computer-Kreuz zu sehen gibt. Ich nenne es „electric J“, oder „Jesus on wires“; schliesslich zählt gerade in moderner Kunst, was überall sonst auch zählt: branding is everything! In der „Bibliothek“ habe ich mir eines von Miller’s Büchern und Jack Kerouac’s „On The Road“ gekauft: zwei Exemplare mehr für meine ganz persönliche Rollkoffer-Library…

Halt machte ich auch im Julia Pfeiffer State Park, von dessen Spazierwegen man einen herrlichen Ausblick hinunter in eine türkis-farbene Meeresbucht hat. Auf dem Bild links sieht man den Wasserfall, der sich auf den Strand hinunter und ins Meer hinein ergiesst. Fast schon verschwenderisch in einer Region, in der man in den Jugendherbergen Dusch-Coupons erhält (8 Minuten pro Gast und Tag), weil es hier anscheinend überall an Süsswasser mangelt…

Und dann kam ich am Point Piedras Blancas vorbei, an dem ausser mir niemand Halt machen wollte. Das heisst, doch. Da waren schon ein paar andere; geschätzte hundertfünfzig See-Elefanten, die ich während rund zwei Stunden fasziniert beobachtete, bis die Sonne unterging und ich nichts mehr sehen konnte. Es war fantastisch. Wildlife, das habe ich gelernt, ist dann am schönsten, wenn man „ihm“ unerwartet und alleine begegnet, ganz ohne geführte Walking-Tours und erklärende Ranger. Wilde Tiere mit Respekt und ganz für sich geniessen zu können, ob in Kayaks, auf Wanderungen oder, wie hier, am Strassenrand, das „gfaut mier“…

Dieser Bulle schien zuerst ganz friedlich. Als er dann aber aufwachte und sich die Augen kratzte, schien ihn irgendwas zu stören. Jedenfalls „stellte“ er sich auf und begann laut zu brüllen…

Die Jungtiere beeindruckte das nicht. Sie scheinen sich ans Geschrei gewöhnt zu haben. Die Meeresbiologen hier nennen die fetten kleinen Kerle „weaner“. Jungtiere, die nicht nur von ihrer eigenen Mutter gesäugt werden, sondern auch bei fremden Müttern andocken und deshalb besonders schnell fett werden, nennen sie „double weaner“, was für mich eher nach Fast Food als nach Wildtier tönt. Anyway…

Unter dem Titel „die Schöne und das Biest“ liess sich dieses Paar wohl gut vermarkten. Ihr schien der ganze „Akt“ nicht ganz so viel Spass zu machen wie ihm (das Problem gibts also auch im Tierreich). Sie tat das mit lautem Schreien kund. Doch See-Elefanten sind Anti-Emanzen. „Lay back and think of England“ ist hier noch immer die historisch überlieferte Devise…

Dieser Kerl wagte sich aus dem Meer kommend ans Harem des Herrn auf den vorangehenden Bildern. Das wurde nicht goutiert, wie man sich hier in einem dreiminütigen Live-Mitschnitt ansehen kann…

Bes bald ond macheds guet…

Veröffentlicht unter California, Seal | 3 Kommentare

Äuu Äuuuuu!

Ich habe sie geliebt, die Gaston-Comics, die das alltägliche Treiben auf der Carlsen Verlags-Redaktion porträtieren und den Leser die Welt durch die müden Augen des ungeschicktesten Bürogehilfen der Comic-Geschichte mitverfolgen lassen. Die Stories sind aber nicht nur wegen dem patschigen Gaston ein Hit, sondern – mindestens für mich – auch nur schon wegen den onomatopoetischen (was für ein Wort) Lautbeschreibungen äusserst unterhaltsam: Giiiibsch, ROAR, Wrrumm und KNARRR, gross und dick und schräggestellt geschrieben, machen den Comic akustisch erfahrbar. Doch, wozu dieser Einstieg? Schliesslich bin ich weit weg von meiner ganz persönlichen Redaktionsgeschichte. Klar, ich vermisse es manchmal, das einsame Dasitzen in meinem Tagblatt-Zimmer, das nächtliche Vor-Sich-Hinschreiben, das Leserbrief-Korrigieren und das Kulturkalender-Erstellen. Aber nein, so schlimm ist meine Redaktions-Sehnsucht nicht, dass ich mich mit meinen Gedanken auf die Cartoon-Carlsen Redaktion flüchten müsste. Gaston kam mir ganz einfach deshalb in den Sinn, weil ich vor zwei Tagen kurz nach meiner Ankunft in Santa Cruz, Kalifornien, ein Geräusch hörte, das man wunderbar mit einem dieser Comic-Laute beschreiben kann: ÄuuÄuuuuu. So tönte es, in verschiedenen Tonlagen und Lautstärken, den ganzen Abend lang.

Zum „Stage-Setting“: nach einer langen Autofahrt von Bakersfield nach Santa Cruz habe ich in der wohl luxuriösesten Jugendherberge Nordamerikas eingecheckt und bin mit meiner Nikon losgezogen, um das abendliche Städtchen zu erkunden. Ich spazierte dem Strand entlang zum offenbar berühmten Surf Museum, das in einem alten Leuchtturm untergebracht ist, und von dem aus man wunderbar auf die umliegende Umgebung herabsieht. Von jenem Leuchtturm aus hat man eine fotografisch interessante Perspektive auf den Abendhimmel: die Meer-Wellen platschen einem schäumend ins Bild und geben der Aufnahme etwas ungewollt Explosives…

Berühmt wurde Santa Cruz Anfang des 20ten Jahrhunderts für seinen Boardwalk mit dem aufs Meer hinausführenden Holz-Pier. Boardwalk und Holzpier sind eine Art fest-installierte „Chöubi“ mit allerlei Achterbahnen, Gaming-Hallen, Popcorn-Häuschen und Seafood-Restaurants. Ein Ferienparadies für vom Weltkrieg heimkehrende Soldaten, für Arbeiter-Familien und all jene, die ihrem Alltag an der luftigen West Coast für ein paar funkelnde Tage entfliehen wollten. Tagsüber und mitten unter der Woche ist der Holzpier aber eher ein Ort der Entspannung. Gemütlich kann man den weiss gestrichenen Palisaden entlangspazieren, den Möven beim Davonfliegen zuschauen, sich auf einsame Holzbänkli setzen oder sich an einem der Stände für 20 Dollar ein neues Lieblings-T-Shirt kaufen…


Doch, dann ist da eben noch dieses Geräusch: ÄuuÄuuuu! ÄuuÄuuuu! Die ganze Zeit, dumpf grollend, laut schreiend, und von einer beängstigenden Lautstärke. Das Geräusch kommt von unter dem Pier, und wenn man sich über die Palisaden lehnt und auf die Holzbalken knapp über dem Meerwasser runterblickt, dann sieht man die Krachmacher: es sind See-Löwen, die sich hier in der geschützten Meereszone mit Fisch vollfressen und es danach den Amerikanern gleichtun und sich auf dem Pier entspannen. Ich habe noch nie zuvor einen Seelöwen in freier Wildbahn gesehen. Die Begegnung hat mich jedenfalls fasziniert. Zur Ergänzung (ich habe das bis vor Kurzem auch nicht gewusst): Seelöwen sind deutlich grösser als Seehunde, und sind die einzigen in der ganzen See-Löwen/Hunde/Kühe/Elefanten-Familie, die sichtbare Ohren haben…

Wer eher auf menschliches Geschrei steht, ist auf dem Boardwalk besser bedient. Hier herrscht Partytime, rund um die Uhr. Mit meinen neuen Foto-Basics und ein paar Blenden-Einstellungen habe ich versucht, die Moves der Bahnen einzufreezen… Die Holz-Achterbahn in der Mitte, der Great Dipper, ist seit 1924 ein National Historic Landmark of the United States. Seit über hundert Jahren bringt er Touristen zum Schreien und die Kassen zum Klingeln. Ich habe mir das nicht entgehen lassen. Und, die Fahrt war besser, als ich erwartet hatte…

In Santa Cruz selbst gibt es einige schöne Holz-Villen und San Francisco-esque Häuserzeilen, von deren gemütlich wirkenden Erker-Stuben aus man direkt hinunter auf den Pazifik sieht. Was es auch gibt sind Läden mit frischem Gemüse, frischem Fisch und frischen Preisen. Ich habe europäisch eingekauft und mir in der Hostel-Küche ein Lachs-Lauch-Meerrettich Risotto gekocht. In Santa Cruz, glaube ich, könnte ich leben. Nach dem ganzen, zwar wunderschönen, aber halt doch etwas amerikanisch-verstaubten Südwesten, weht hier an der Central Coast ein liberal-frischer Wind, und der Lebensstil scheint mir vertraut und sympathisch…

Am nächsten Tag habe ich beim Big Basin State Beach vorbigeschaut, Möven beobachtet und die längste Palme, die mir je begegnet ist, bestaunt, die da hoch oben im Wind schwankte und trotz ihrem massiven Stamm ziemlich zerbrechlich wirkte…


Mein Seelöwen-Erlebnis hat in mir die Lust auf Wildlife wieder geweckt. Ich habe mich umgehört und erfahren, dass im Ano Nuevo State Park 20 Meilen nördlich von Santa Cruz eine der weltgrössten Seeelefanten-Gruppen haust und dass in der momentanen Paarungszeit einiges los sei bei den Meerriesen. Ich machte mich auf den Weg und kam unterwegs bei der Swanton Berry Farm vorbei, ein Bauernhof, der die auf dem Highway 1 Vorbeibrausenden zum Verweilen und zum Konfi-Schlecken einlädt. Ich hielt, schleckte und kaufte, weil die Konfi (hausgemacht) herrlich schmeckte und ich fasziniert war vom Zahlungs-System im Bauernhofladen: bezahlen muss man selbst, die Kasse mit dem gesamten Wechselgeld steht offen dort. Und, Velofahrer kriegen einen 10-Prozent-Rabatt, aber nur wenn sie mit Helm unterwegs sind. Das ist doch irgendwie mehr als sympathisch…

Die Seeelefanten im Ano Nuevo State Park enttäuschten mich nicht. Hunderte lagen an den Stränden rum, räkelten sich in den Meerespfützen und gaben grunzende Geräusche von sich. Ein Typ in meiner Gruppe (man kann den Park nur auf geführten Walks erkunden) war überzeugt, dass die „Angry Bird“-Macher hierher kamen, um die Sounds für die Angry Bird-Schweinchen aufzuzeichnen. Anyway, die Seeelefanten waren super, auch wenn sie sich nicht (wie ich mir das heimlich wünschte) gegenseitig aneinander hochbäumten und mit ihren hässlichen Nasen aufeinander einprügelten. Die Paarungskämpfe waren offensichtlich vorüber. Es herrschte Chill-Zeit…



Ein trauriges Kapitel in der Seeelefanten Geschichte ist die hohe Sterblichkeit bei den Neugeborenen. Einmal von der Mutter getrennt (durch Wellen, aggressive Bullen etc.), finden sie nicht mehr zu ihrer Nahrungsquelle zurück und verhungern im trockenen Sand. Rund 80 Prozent überleben das erste Lebensjahr nicht. Das ist brutal mit anzusehen. Vor allem dann, wenn einem die sterbenden Tiere mit Hundeblick anstarren. Aber, das gehört wohl dazu, auch wenn ich Mühe hatte, dem tatenlos zuzuschauen…

Mit meinem State Park Ticket machte ich mich auf zum Point Lobos State Park, wo mich planschende Seehunde und schroffe Küstenlandschaften wieder etwas aufheiterten. Doch, auch hier spielt die Natur momentan in tristen Tönen. Von Dezember bis März lauern draussen in den Küstengewässern Weisse Haie auf die unerfahrenen Neugebohrenen und fressen sich an den fetten Tieren satt…

Unter „Wildlife Too“ könnte man die folgenden Bilder einordnen. Schliesslich müssen es nicht immer Seeelefanten oder Buckelwale sein. Auch Spatzen (oder Spatz-artige Vögel), Möven und Hamster sind wilde Tiere, die doch irgendwie etwas ganz Anmutiges an sich haben…

Ich breche auf gegen Süden. Los Angeles wartet nur darauf, mich mit seinem Lichtermeer wieder zu verschlingen und ganz klein zu machen. Ich will der Stadt ihren Spass gönnen…

Cya…

Veröffentlicht unter California, Santa Cruz | Kommentar hinterlassen

In The Shadow Of The Valley Of Death

1849, wenige Wochen nachdem die USA den Mexikanern Kalifornien „abgekauft“ haben, stiessen ein paar eifrige Goldgräber im neu zugekauften Gebiet auf Gold-Nuggets. Das hat amerikaweit ein „Go West“-Movement ausgelöst. Tausende zogen gegen Westen, geblendet vom Goldrausch, getrieben vom Reichtum, unerschrocken vor den Gefahren, die auf dem langen Weg an die Westküste lauerten. Ein Teil der angehenden Goldgräber bahnte sich seinen Weg durch die Region des heutigen Death Valley National Parks. Von den hunderten von Waggons, die sich auf diesem Weg nach Westen vorantasten wollten, schaffte es laut der Nationalpark-Broschüre ein einziger ans Ziel. Alle anderen blieben auf der Strecke, irgendwo in der Weite der erbarmungslosen Wüste. „Goodbye, Death Valley“, soll einer der Möchtegern-Goldgräber gerufen haben, bevor er rechts um kehrt machte und zurück gegen Osten zog. So will es die Legende, und so stehts überall an den Informationstafeln im Death Valley Nationalpark geschrieben.

Das Death Valley ist der grösste amerikanische Nationalpark ausserhalb Alaskas. Er ist mehr als doppelt so gross wie die Mojave Wüste, Heimat des tiefsten, des trockendsten und des heissesten Punktes Nordamerikas, Inspirationsquelle für eine Vielzahl von Künstlern (dazu später ein wenig mehr) und, wie ich nach drei Tagen zu sagen wage, ein in vielen Belangen faszinierender Ort. Ich habe im Tal des Todes Landschaften gesehen, von denen ich gar nicht wusste, dass es sie gibt…

Meinen ersten Halt im Death Valley machte ich am Dante’s View Point (viele Orte im Nationalpark haben ähnlich teuflische Namen, was irgendwie zur apokalyptischen Stimmung im Todestal beiträgt…). Vom Aussichtspunkt aus sieht man hinunter nach Badwater, dem mit -85.5 MüM tiefsten Punkt Nordamerikas. Von einer Salzkruste überzogen und völlig leblos wirkend sieht das Tal auf den ersten Blick doch irgendwie aus wie das Engadin an einem verschneiten Wintermorgen. Im Hintergrund auf Bild 2 sieht man die Spitze des Mount Whitney, dem höchsten Berg in den „Lower 48“ (alle US Staaten ausser Hawaii und Alaska). Den tiefsten und den höchsten Punkt der USA auf einem Bild; speziell, oder?

Der „Artist Drive“ führt durch einen gold-gelb-braun schimmernden Canyon, der stellenweise an die Malpalette eines Künstlers erinnert. Apropos Kunst: Marilyn Manson, das musikalische Idol meiner Teenager-Jahre, hat in seinen wilden Zeiten einen sehr schönen Song mit dem Titel „In The Shadow Of The Valley Of Death“ eingespielt (den kann man sich hier anhören). Beim Betrachten des zweiten Bildes kam mir das Lied plötzlich in den Sinn. Obwohl, hier wäre eine Titeländerung angebracht: „I’m The Shadow In The Valley Of Death“…

Am Zabriskie Point wollte ich mir den Sonnenuntergang anschauen. Ich kam zu spät, die Fotografen hatten ihre Stative bereits eingepackt und die Touristen fuhren in ihren Wohnwagen davon. Niemand blieb, um den Mondaufgang zu bewundern. Den hatte ich ganz für mich alleine. Habt ihr schon mal den aufgehenden Mond zu fotografieren versucht? Gar nicht so einfach. Man muss sich entscheiden: entweder überbelichteter Mond mit verfärbten Wolken und Landschaftskontrasten, oder richtig belichteter Mond mit Konturen, dafür keine verfärbten Wolken und Landschaftskontraste. Beides zusammen geht nicht (oder doch?). Ich habe zur Selbst-Beruhigung bei einer Kunst-Ikone nachgeschlagen: Caspar Friedrich ging dem Problem auf seinem wunderschönen Bild „Mondaufgang am Meer“ elegant aus dem Weg: bei Friedrich wird der aufgehende Mond von den umgebenden Wolken verdeckt. Offenbar war er sich dem Licht-Kontur-Komplex bewusst…

Am zweiten Tag im Death Valley schlüpfte ich in meine Wandersocken und schaute bei den Mesquite Dünen vorbei. Kurz nach dem Trailbeginn habe ich einer Gruppe Asiaten (wahrscheinlich Japaner) zugeschaut, die einer nach dem anderen auf einem Plastikschlitten die Dünen runterrutschten und dabei laut vor sich hinschrien. Ich habe mir ein paar Gedanken zum Reiseverhalten verschiedener Kulturgruppen gemacht und bin zu einem spannenden Schluss gekommen, den ich aber noch überprüfen möchte, bevor ich ihn laut rausposaune…

Zur Abkühlung zwängte ich mich im Anschluss durch den „Mosaic Canyon“, dessen Namen jeder beim Betrachten der Canyonwände selbst erraten könnte. Ich kam bei einem behaarten Strauch vorbei, über den ich später in einer Broschüre las, dass er Salz speichern und „veräussern“ kann. Die Salkristalle auf den Blätten reflektieren dann das Sonnenlicht und kühlen die Pflanze in der glühenden Wüstenhitze ab. Genial, nicht? Ich hätte die Pflanze gerne meinen mormonischen Freunden auf Oahu gezeigt. Ein besseres Beispiel für die evolutionäre Anpassung von „Lebewesen“ an eine neue Umgebung gibt es wohl kaum…


Der „Salt Creek“ ist laut dem zuständigen Parkranger rund zehn Mal salziger als der Pazifik. Ich kniete mich am Trailrand zu dem Bächlein runter und nahm einen Zipp. Es war scheusslich salzig! Die Pflanzen entlang des Bächleins sind allesamt von einer salzigen Kristallschicht überzogen, was wiederum irgendwie sehr lieblich wirkt. Im Bach selbst leben die „Puppyfish“. Der Fisch ist von der zäheren Sorte: er lebt in den salzigsten Gewässern der Welt, hält Temperaturen vom Gefrierpunkt bis zu rund 40 Grad Celsius aus und muss ständig aktiv Wasser filtern, um nicht zu verdursten (nicht wie die allermeisten anderen Fischarten, die automatisch Wasser über ihre Haut aufnehmen können).

Der „Gower Gulch“-Wanderweg führte mich zuerst durch den „Gold Canyon“, dann über die „Badlands“ unterhalb des Zabriskie Points und schliesslich hinaus in die nur in dieser Jahreszeit begehbare karge Weite des Panamint Valleys. Die „Badlands“ sind ein Zwischending zwischen Stein und vertrockneter Erde. Geologen könnten das wohl eleganter formulieren. Auf jeden Fall sind sie faszinierend, und im Nachmittagslicht wunderschön anzuschauen…



Auf dem Weg nach „Badwater“ kommt man am „Devil’s Golf Course“ vorbei: ein riesiges Salzfeld, das von Weitem an einen verschneiten, aufgewühlten Acker erinnert. Die Salkristalle, die den Boden hier überziehen, sind messerscharf und steinhart. Wer hier barfuss eine Runde dreht, dem spendiere ich mal irgendwo irgendwas…

„Badwater“ selbst ist eigentlich nichts ausser ein Schild, auf dem „Badwater Basin“ und eine Höhen (bzw. Tiefen-) Angabe steht. Kein Haus, nichts. Grund dafür ist wohl die eher ungemütlich Temperaturkurve des Ortes: im Winter wird es hier bis zu Minus 20 Grad kalt. Im Sommer klettert das Termometer auf bis zu 137 Grad Fahrenheit (58 Grad Celsius). In einer Beschreibung eines Park Rangers heisst es, dass im Sommer regelmässig Vögel beobachtet werden, die über die salzige Weite rund um Badwater fliegen und im Flug tot vom Himmel fallen. Trotzdem: im Februar ist es hier angenehm kühl, und die Salzkristalle lassen sich ganz ohne Hitzekollaps oder Kältefrost bewundern…


Die zweite Nacht meines Death Valley Trips verbrachte ich in Beatty, einer kleinen Ortschaft am nordöstlichen Rand des Nationalparks, auf der Grenze zur Area 51, der berühmt-berüchtigten militärischen Sperrzone, wo die US Army in den 40er Jahren hunderte atomare Sprengsätze zündete (zu Testzwecken) und laut einigen Fantasten Aliens gefangen hält. Wer den Film „Hills Have Eyes“ gesehen hat: er spielt hier, genau hier… Anyway, Grund meines Besuches in Beatty waren nicht die Aliens, nicht die Area 51 und nicht die mutierten Mörder von „Hills Have Eyes“, sondern Bailey’s Hot Spring RV Park. Der Campingplatz wird in meinem Lonelyplanet erwähnt, weil er nebst dem üblichen Camping Zubehör drei antike Häuschen mit heissen Quellenbädern bietet. Die wollte ich mir im leicht frostigen Winter nicht entgehen lassen. Der Trailerpark (Bild 1) war an sich nichts Besonderes; die Quellenbäder aber sind die Reise wert! Wenn ihr mal in der Region seid; schaut bei Bailey vorbei. Das heisse Bad (für 30 Minuten kriegt man ein eigenes Häuschen, umsonst) ist Wellness vom Feinsten! White Trash Highlife, sozusagen. Betrieben wird der RV Park von einem mürrischen Shoshonen, dem ich am nächsten Morgen erzählt habe, dass seine heissen Quellen in meinem Reiseführer gelobt werden, und der mir danach mit völlig veränderter Miene eine zweite Gratis-Halbstunde anbot, die ich natürlich nicht ausschlug. Beatty ist aber auch abgesehen vom heissen Badespass ein witziges Städtchen. Vom einstigen Minen-Reichtum und Goldrausch ist nicht mehr viel zu spüren. Die Gegend scheint verarmt und verschlafen. Letzteres bestätigte mir das riesige Schild gleich nach dem Ortseingang (Bild 2), auf dem auf die „Beatty Days“ Ende Oktober hingewiesen wird. Wahrscheinlich hat sich niemand die Mühe machen wollen, das Plakat abzumontieren. Und so hängt es da, und sorgt dafür, dass auch ja niemand vergisst, in neun Monaten rechtzeitig wieder in Festlaune zu kommen. Spannend war auch mein Besuch im „Beatty Museum“ (Bild 3). Das Museum hat zwar ausstellungstechnisch nichts zu bieten, aber das Ausstellungs-Konzept ist erwähnenswert: man hat einfach alles irgendwie in den mit Neonröhren grell erleuchteten Raum gestellt, irgendwie, irgendwohin. Braunbären, Stoffpuppen, Armeeabzeichen, eine Lederjacke von 1850 und unbetitelte Familienfotos hängen, stehen und sitzen da, einfach so, einfach so. Der Typ an der Kasse hat mich darauf hingewiesen, dass das Beatty Museum ein „Hands Off“-Museum sei, dass man also nichts berühren darf, weil die meisten Ausstellungsgegenstände geliehen seien. Ich bin mir beinahe sicher, dass die „Ausstellung“ die Leihfrist überdauern wird: niemand wird seinen Grümpel hier je wieder abholen. Das wäre irgendwie aber auch schade. Beatty verlöre dann sein kulturelles Highlight. Das Museum wurde 2010 nämlich mit dem „Beatty Cultural Development Award“ ausgezeichnet. Zu recht!

Künstlerisch wertvoller schien mir die Freilicht-Ausstellung in Rhyolite, einem Ghost Town am anderen Ende einer sehrsehr langen Strasse, die von Beatty zurück ins Death Valley führt. Hier, mitten in der Wüste, sind verschiedene Schöpfungen des belgischen Künstlers Albert Szukalski ausgestellt. Weshalb ist mir schleierhaft. Aber eben… Hauptattraktion von Rhyolite ist das „Bottle House“: ein Wohnheim, das in den 1860er Jahren mit etwas Zement und gut 30’000 leeren Bierflaschen erbaut wurde. Jay, der hier bis Ende April als einziger Bewohner haust und die Geisterstadt verwaltet, erklärte mir, dass das ein gängiges Baukonzept im südlichen Nevada gewesen sei, weil sich damit offenbar die Temperatur im Haus sehr viel besser regulieren liess als mit blossen Holzwänden…


Meine letzte Wanderung im Death Valley führte mich zu den „Darwin Falls“. Sie sind die einzige Süsswasserquelle im ganzen Nationalpark und verwandeln „ihr“ Tal in eine grüne Oase voller Bäume, Sträucher – und offenbar Dachse… Es war faszinierend, nach vier Tagen in der Wüste plötzlich in einem Tal zu stehen, das sich bezüglich Fauna und Flora so krass von all den anderen Tälern unterschied, und alles nur wegen ein bisschen Wasser…

Das Death Valley liegt hinter mir. Vor mir liegen ein paar Tage in Southern California. Viel künstliches Licht, Lärm und Getümmel stehen bevor. Doch, etwas sehr Spezielles habe ich auch hier bereits entdeckt. Das heisst, bisher habe ich es nur gehört, noch nicht gesehen. Aber, das werde ich ändern…

Bes gly, ond macheds guet…

Veröffentlicht unter Death Valley National Park, Roadtrip | 1 Kommentar

Mojave

6’211 Quadratkilometer gross ist das Mojave National Preserve. Kaum jemand nimmt die Region als Reiseziel wahr. Nicht einmal jetzt, wo eigentlich Hochsaison wäre. Dass man 6’211 Quadratkilometer für sich alleine hat (ich habe in meinen zwei Tagen in der Wüste drei andere Wanderer, zwei Hunde, ein Ranger-Team und ein paar leerstehende Wohnwagen gesehen), ist purer Luxus. Einsamkeit, Ruhe, Freiheit und Abgeschiedenheit habe ich mir erhofft. Enttäuscht hat sie mich nicht, die Wüste. Und trotzdem, totale Freiheit wollte ich in diesem so einsamen und nicht ganz ungefährlichen Gelände nicht riskieren. Vor allem nicht, nachdem ich vor ein paar Tagen den Film „127 Hours“ gesehen habe, der die Geschichte von Aron Ralston erzählt. Aron verunfallte bei einem Wandertrip in einem Slot-Canyon im südlichen Utah, steckte zwischen einem Felsbrocken und der Felswand fest und amputierte sich nach über fünf verzweifelten Tagen mit einem stumpfen Taschenmesser seinen rechten Arm, um aus seiner misslichen Lage freizukommen. Er hatte niemandem erzählt, wo er hinging, und überlebte nur ganz knapp. Nicht, dass ich riskante Klettertrips geplant hätte, aber, man weiss ja nie. Jedenfalls legte ich im Voraus fest, wann ich in Mojave was unternehme, und simste meine Pläne an Glenn. Bis heute um Mitternacht hatte ich Zeit, mich wieder bei ihm zu melden. Falls er nichts von mir hörte, würde er dem Natinal Park Service und Notfalls bei 911 anrufen. Das haben wir vor meiner Abreise so vereinbart. Übertrieben? Mag sein. Und doch gibt einem das als Solo-Hiker in der weiten Wüste eine gewisse Sicherheit.

Anyway, trotz Klapperschlangen, felsigen Kletterwegen und gleissender Sonne; ich habs überlebt und in vollen Zügen genossen. Gestartet bin ich mit dem Teutonia Peak Trail, der auf sechs Kilometern durch den weltweit grössten Joshua-Tree Wald auf einen riesigen Felsen hinaufführt, von wo aus man einen fantastischen Ausblick auf die Umgebung hat.



Gleich lang ist der Trail auf die Kelso Dunes, die grössten Sanddünen Nordamerikas. Und dennoch: der Kelso Dunes Trail hat mir einiges mehr abverlangt als der Teutonia Peak. Seid ihr schon mal 6 Kilometer durch feinsten Sand marschiert? Aufwärts? Steil aufwärts? Der Boden rutschte mir konstant unter den Füssen weg, ich kam stellenweise fast nicht vom Fleck und fand mich in einem Wettlauf mit der Sonne wieder. Die wollte ich von der Spitze der höchsten Düne aus untergehen sehen. Viel Zeit blieb nicht. Ich habe meine Nikon (die ich immer griffbereit in der rechten Hand halte) deshalb in meinen Rucksack gepackt und bin mit allen vieren die Sanddüne ufekräsmet. Das machte unglaublich Spass! Und, ich kam rechtzeitig zum Sunset. Es war fantastisch! (das habe ich ja schon ab und zu geschrieben, aber, die Kelso Dunes gehören mit zum Schönsten, was ich in den USA schon gesehen habe). Ich gönnte mir ein paar Beef Jerky Streifen und eine Banane, bevor ich im Mondschein die Düne wieder runterrannte und tatsächlich dieses donnernde Grollen hörte, das in meiner Mojave Broschüre beschrieben wird. Aus mir nicht ganz einleuchtenden Gründen erzeugt der ins Rollen kommende Sand diese grollenden Geräusche. Es war, als würde hinter mir ein Flugzeug starten oder ein Gewitter aufziehen. Die Kelso Dunes sind Teil einer Region mit dem Namen „Devil’s Playground“. Und, mindestens akustisch sitzt einem der Teufel beim Dünenrunterrennen tatsächlich im Nacken…




Nach einer italienischen Dusche und einem Besuch auf der Ranger Station machte ich mich an meinem zweiten Mojave Tag auf den Weg zum Barber Peak Trail: 10 Kilometer durch die „Hole In The Wall“-Felsen, über das offene Wüstenfeld, hinein in Kakteenwälder und vorbei an abgebrannten Bäumen, wegrennenden Hasen und rauschenden Yucca Palmen. Für unerfahrene Hobby Hiker wie mich ist dieser Trail ein Traum. Ich habe viele der Tiere vorbeihuschen sehen, von denen ich Abends zuvor in meiner Broschüre las. Darunter jene Wüstenmaus, die ein Leben lang ohne einen einzigen Tropfen Wasser auskommt. Ich habe all die Kakteen bewundert, mich durch enge Felsspalten gezwängt, bin durch die Wüste gejoggt und rechtzeitig vor den aufziehenden 90-Meilen Böhen (die draussen noch immer wie wild umherrauschen) wieder bei meinem Subaru angekommen.




Nachtlager ist heute nicht mehr ein einsamer Parkplatz mit jaulenden Kojoten (denen habe ich gestern die halbe Nacht lang gelauscht), sondern das Amargosa Opera House & Hotel. Von diesem Hotel, das weit abgelegen draussen in der Wüste zwischen dem Mojave Preserve und dem Death Valley National Park steht, habe ich vor Jahren mal in einer Reportage des Schweizer Fernsehens erfahren. Eine pensionierte Tänzerin hatte das Anwesen auf einer Reise entdeckt, gekauft und zum einsamsten Opernhaus (mit angrenzenden Gästezimmern) der Welt umgebaut. Once in a fortnight gibt sie hier noch Aufführungen. Ansonsten kann mans sich in den lauschigen Zimmern mit Oblicht und Heizöfeli gemütlich machen und auf dem Bett liegend lange Blog-Einträge schreiben… Auf dem Weg hierhin kam ich am Silver Lake vorbei, der die meiste Zeit des Jahres eigentlich gar kein Lake ist, und der mich offenbar verschlucken wollte; seht selbst…

Und hier der Videolink…

Und dann noch drei Snapshots to round it off: mein silbriger Freund, der mit neuem Motor und frisch geölt bisher ein gemütlicher Reisepartner ist / ein Gast, der im Mad Greek Cafe in Baker einkehrte, um “ The USA’s Best Gyro Sandwich“ zu probieren und sich nach dem ersten Biss sehnlichste einen Kebab vom Wohler Central herbeiwünschte / Shoshone: eines jener Halb-Geisterdörfer entlang dem Desert Highway 127, in dem es mehrere Tankstellen, Restaurants, Grocery Stores und „Date Bars“, aber kein frisches Gemüse oder Früchte gibt. Such is life…

Veröffentlicht unter Mojave, Roadtrip | 1 Kommentar