Es ist ein Dilemma, mit dem sich wohl jeder bloggende Reisende früher oder später konfrontiert sieht: sobald man seine schreiberischen Pflichten für ein paar Tage vernachlässigt und sich mehr um sein real life als um seine digitale Plattform kümmert, vergrössern sich die zeitlichen und räumlichen Abstände zwischen dem realen Ich (das in meinem Fall in einem gemütlichen Motel-Raum mit Meerblick in Bandon, Oregon sitzt) und dem „blogging ego“, das gerade erst aus der Hitze des Arches National Parks gekrochen kommt und am gelb-rot glühenden Abgrund des Bryce Canyons steht. Es ist gar nicht ganz ohne, sich hier als reales ich vom neblig-kalten Oregon in die staubige Hitze Utahs zurückzudenken. Schon gar nicht, wenn die beiden anderen „realen Ers und Sies“ im Bett nebenan gemütlich schnarchen und mir selbst der Schädel wegen der fortgeschrittenen Zeit und dem wohl allzu geringen Kaffee-Konsum der letzten Tage grauenhaft brummt. Anyway, Utah here we come…
Nach einer knappen Woche prallem Sonnenschein und Temperaturen in den tiefen 40ern waren Jonathan und ich beinahe erleichtert über die düsteren Regen- und Gewitterwolken, die sich über dem Bryce Canyon National Park zusammenbrauten. Das letzte Mal, als ich im Dezember hier war, wurde das südliche Utah von verheerenden Überschwemmungen und anhaltendem Regen- und Schneefall geplagt und die Sicht im Bryce Canyon war den Umständen entsprechend auf wenige Meter beschränkt. Die in feurigen Farben leuchtenden Kalk- und Sandsteintürme, für die der Nationalpark bekannt ist, waren im dichten Nebel nicht auszumachen. Vor den düsteren Juli-Gewitterwolken zeichneten sich ebendiese Steintürme nun scheinbar umso dramatischer ab. Bei angenehm kühlen dreissig Grad kletterten und hikten wir eine Weile durch die einzigartigen Säulengärten…
Minuten bevor die Dämme brachen und sich der Himmel in einer gewaltigen Schauer über unseren Holzunterstand ergoss krackselten wir aus dem Canyon und i Schärme…
Trotz unserer sehr spontanen Buchungs-Mentalität erwischten wir auch im Bryce Canyon noch einen der begehrten Camp-Spots. Hier ein kleiner Einblick in unsere Utah-Campground-Kochsessions: Yams-Rosmarin Auflauf mit Ratatouille und Tomaten-Mozarella-Balsamico Salat oder Safran-Risotto mit gefüllten Peperoni. Not bad for a start…
Unseren letzten Halt in Utah machten wir im Zion Nationalpark. Nach den brandheissen Wüsten und schön geschwungenen Brücken des Arches Nationalparks und den feurig roten Steinsäulen des Bryce Canyons hat uns der Zion NP nochmals eine ganz andere Seite Utahs gezeigt. Dank einem kleinen Fluss, der seicht durch das Zion Valley mäandert, ist das ganze Tal dicht bewachsen und weit weniger lebensfeindlich als die umliegenden Stein- und Sandwüsten. Nach einer Nacht auf dem Weatherman Campground im Zion Valley machten wir uns an unserem zweiten Zion-Day auf zum Hike hinauf zum „Angel’s Landing Point“. Der Wanderweg schlängelt sich im unteren Teil steil hinauf durch ein enges Seitental des Zion Valleys und führt die letzten zwei Kilometer über einen schmalen und auf beiden Seiten mehrere hundert Meter steil abfallenden Felskamm hinauf zu einem atemberaubenden Aussichtspunkt. Dieser letzte Teil über den schmalen Felskamm ist es, der den Angel’s Landing-Hike zur wohl spektakulärsten Wanderung meines US-Jahres machte…
Die regenwaldartige Vegetation rund um die Emerald Pools (Bilder 1-2), der mäandrierende North Fork Virgin River (Bilder 3-4), die Wanderung hinauf zum Angel’s Landing Point (Bilder 5-9) und die bedrohlich nah beieinanderstehenden Felswände in den „Narrows“ (Bilder 10-12): Zion’s got it all…
Wir stoppten in der Mormonen-Stadt St. George (auch hier war das reale ich dem blogging ego zeitlich um einiges voraus) und stärkten uns im besten Thai-Restaurant östlich von San Francisco für die lange Fahrt entlang dem „Extraterrestrial Highway“, auf dem wir die kommenden zwei Tage die karg-schöne Steppe Central Nevadas durchfuhren. Nevada ist spannender und schöner, als ich mir das gedacht hätte. Joshua Trees und andere grosse Wüstenpflanzen säumen die über Kilometer hinweg schnurgeradeausgehenden Strassen. Kleine Seen und Bäche sorgen hie und da für blühende Oasen inmitten der desert zones und die Area 51 (das sagenumworbene und mythisch hochstilisierte geheime Testgelände der US-Streitkräfte, in dem der Legende nach Aliens gefangengehalten und UFOs nachgebaut werden) hat tatsächlich die anziehende Kraft des Verbotenen, mit der ich schon in meiner Jugend hie und da stark zu kämpfen hatte. Näher als bis auf hundert Meter haben wir uns mit unserem Dodge Journey aber nicht an die Sperrzone herangewagt (Bild 9 zeigt einen der streng bewachten Eingänge). Der lahme SUV hätte das Rennen gegen die hochgerüsteten Pickups des hiesigen Sicherheitsdienstes wohl verloren…
Nevada, der „Silver State“: blauer Himmel, weisse Wölkchen, rote Erde und schnurgerade Highways…
Die Nacht verbrachten wir im Little A Le Inn, einer gewöhnungsbedürftig-gemütlichen Trailer-Absteige mitten in der Wüste, von der ich in einem kleinen Off The Beaten Path-Reiseführer, den mir mein Mitbewohner vor Jahren einmal schenkte, gelesen hatte. Die Bar des Hotels, dessen Zimmer in alten Trailer-Anhängern eingerichtet sind und die trotz unseren anfänglichen Bedenken mehr als überzeugen konnten, wurde von komischen Gestalten bevölkert, die sich hier zum Feierabendbier oder zum Austausch über die jüngsten UFO-Sichtungen und Alien-Begegnungen trafen. Sowieso schien sich hier alles um die extraterrestrischen Besucher zu drehen. Überall im „Hotel“ hängen Beweisfotos und Zeitungsartikel an den Wänden. An der Theke kann man sich alte Alien-Filme auf Videoband ausleihen und im kleinen Touristenshop gibts allerlei Alien- und UFO-Kram zu kaufen. Aufgefallen sind uns auch die Bumperstickers an den Kühlvitrinen der Bar, die keinen Zweifel daran lassen, wen die Besitzer des A Le Inns 2012 wohl nicht als Präsidenten wählen werden…
Entführt wurden wir in der stürmischen Nacht nicht. Kein Alien hat an unseren Trailer geklopft. Noch nicht einmal schlecht geträumt haben war. Was bleibt ist die Erinnerung an einen speziellen und wohl einzigartigen Ort und an einen apokalyptischen Sonnenuntergang über der Area 51. Der Abstecher hat sich auf alle Fälle gelohnt…
Und schon sind wir dem kleinen Motel im neblig kalten Bandon, Oregon, wieder 10 Reisetage näher. Morgen machen wir einen weiteren grossen Sprung nach vorn und dann sind wir schon bald an der kurligen West-Coast, wo ich die bisher wohl überraschendste Wildlife-Sichtung meines Austauschjahres erlebt habe.
Stay Tuned!
hallo alle drei zusammen
es ist kurz vor mittag und die feinen peperoni und das risotto machen mich hungrig. auch das fleischpfännli von einem der letzten beiträge hat wirklich sehr ahmächelig gewirkt. wie ich also feststelle, ist alles ok im wilden westen. lasst mir oregon grüssen. und weiterhin gute reise.
BARBI