Unfuckingbelievably Beautiful

Als Kind liebte ich es, „of Bsuech z’goh“, irgendwohin, nach Frauenfeld zu Kollegen meiner Eltern, nach Kriens an den gemütlichen Stubentisch bei meiner Grossmutter oder nach Littau zu meiner Tante, wo ich mir mit meinen Geschwistern auf dem grossen Ledersofa sitzend alte Western-Filme anschauen konnte. Ein ganz spezielles Erlebnis, vor allem auch deshalb, weil wir ohne Fernseher aufgewachsen sind und uns die Chance, ein paar Stunden irgendwo vor der heiligen Kiste verbringen zu können, keinesfalls entgehen lassen wollten. „Of Bsuech go“ war ganz weit oben auf meiner Liste. Als Amerikareisender habe ich in den letzten Monaten erfahren, wie schön es sein kann, nicht „of Bsuech z’go“, sondern „Bsuech öberzcho“. Es tut gut, als Alleinreisender seinen Beifahrersitz ab und zu für einen Roadtripbuddy freizuräumen, mit jemandem seine Eindrücke teilen, diskutieren und gemeinsam dieses Land geniessen zu können. Jonathan, mein Berner Studienkollege und regelmässiger freundschaftlicher Kontrahent in intensiven Polit- und Gesellschafts-Zweierdebatten in allen möglichen Zürcher Cafés hat sich als letzter ein Herz gefasst und mich einsam Trippender in den USA besucht. Die 46 Grad am Sky Harbor International Airport in Phoenix, Arizona, und die nur mässig gut funktionierend Klimaanlage in unserem Mietwagen bescherten uns einen verschwitzten Auftakt in den zweiwöchigen Roadtrip durch Arizona, die Nationalparks Utahs, die Area 51 Gegend in Nevada und die kalifornische Sierra Nevada bis hinunter ins kühle San Francisco.

Auf unserer Fahrt Richtung Utah machten wir noch einmal Halt in Flagstaff. Wir buchten last minute all unsere Campgrounds und Motels, assen uns durch die verschiedenen kulinarischen Highlights meiner „alten“ amerikanischen Heimat und fuhren hinauf zu den weiten Grasfeldern am Fusse des Humphreys Peak, von wo aus man einen fantastischen Ausblick über das nördliche Arizona bis hin zu den Rims des Grand Canyons hat.

Sonnuntergang am Fusse des Humphreys Peak: ein farbintensiver Naturgenuss…

  

Die drei architektonischen „Highlights“ von Flagstaff: das Weatherford Hotel im Zentrum der Altstadt, das 1892 fertiggestellt wurde und den Titel des ältesten noch ganz stehenden Hauses im historic downtown trägt; das „Old Main“, das Herzstück des NAU-South Campuses und ältestes Universitätsgebäude in Flagstaff; das moderne „Union Building“ und die Louis-Statue im Zentrum des NAU Geländes…

   

Es wurde beinahe ein wenig emotional für mich, als wir am dritten Flagstaff-Tag unsere Koffer packten und die Stadt in Richtung Grand Canyon verliessen. Ich habe Flagstaff in den letzten Monaten einige Male verlassen. Diesmal aber war der Abschied etwas endgültiger als die letzten Male. Ich kehre wohl nicht so schnell wieder hierhin zurück, und ich glaube, dass ich die kleine Stadt mit den hübschen Backsteinbauten, dem imposanten Humphreys Peak und meinem Lieblings College ab und dann etwas vermissen werde.

Der Grand Canyon mit all seiner wuchtigen Schönheit und der Mather Campground am South Rim, auf dem wir mit grossem Glück noch einen freien Spot fanden, trösteten mich über den Abschied hinweg. Jonathan brachte es am Ende unserer zwei Grand Canyon Tage auf den Punkt: der riesige Graben im nördlichsten Ecken Arizonas ist ganz einfach „vielseitig einzigartig“.

Die Wanderung hinunter zum Colorado River und zurück machten wir wegen den hohen Temperaturen und unserem etwas engen Zeitplan nicht. Auf dem Grandview und dem Bright Angel Trail wagten wir uns aber ein paar Kilometer in den Canyon hinab und waren beeindruckt von der auch für mich neuen Perspektive auf die Rims und Gräben. Ebenfalls „neu“ war der wunderschöne Sonnenaufgang, den wir morgens um 5 vom Mather Point aus bewunderten…

  
  
  
  
  

Wohl rund ein Dutzend Mal habe ich den Grand Canyon in meiner Zeit im Südwesten besucht. Jedesmal war ich begeistert, entzückt, beeindruckt. Gesehen habe ich längst nicht alles: ein Flussfahrt den 180 Meilen langen Colorado-Abschnitt hinunter; eine Wanderung von Rim zu Rim; die Havasu Falls im Westen des Nationalparks; der Skywalk, den die Yavapai-Indianer in den Canyon hinausgebaut haben und auf dem man sich die Schlucht knapp einen Kilometer über dem Abgrund durch einen Glasboden betrachten kann: das alles sind gute Gründe, bald einmal zurückzukommen…

   
   
   

„Bereits einmal gesehen“ hatte ich unseren nächsten Roadtrip-Stop: Page, eine an sich öde Kleinstadt im nördlichsten Ecken Arizonas. Gerade im landschaftlich paradiesischen Südwesten der USA aber soll einem der Umstand, dass man etwas „bereits einmal gesehen“ hat, nicht davon abhalten, immer und immer wieder hinzugehen und einem bereits bekannte Gegenden und Orte neu zu entdecken. Der Lake Powell Stausee, der Horseshoe Bend und die Slot Canyons, die vor den Toren von Page für einige der szenischen Top-Highlights der USA sorgen, werden (mindestens mir) nie verleiden…

1) Der Glen Canyon Staudamm, der den Lake Powell staut; 2) Sonnenuntergang über der Cove Area des Lake Powells; 3) unsere „dekonstruierten / post-strukturalistischen“ Spiessli; 4-6) Szenen am Horseshoe Bend…

  
  

Für all jene die sich auf einer ihrer nächsten Reisen in die Weiten des American South West wagen möchten, hier ein kleiner (an sich relativ offensichtlicher) Tipp: die ohnehin beeindruckenden Landschaften lassen sich in der Abenddämmerung und besonders bei Sonnenuntergang auf noch intensivere Art erleben als bei Tageslicht. Der Horseshoe Bend ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Am schönsten präsentiert er sich eindeutig im Morgenlicht…

   

Ein paar Meilen südlich von Page in einem kleinen, lachsfarbenen Kabäuschen haben wir uns einen Tag nach unserem Chill&Grill Day am Lake Powell bei einem mürrischen Navajo einen Permit für die Wanderung durch den Waterholes Canyon gekauft. Der Waterholes Canyon, dessen westliche Schluchten ich im November auf einem Canyoneering Trip kennengelernt habe, lässt sich im östlichen Teil ganz ohne Seil und ohne Kletterausrüstung durchwandern. Wir stiegen hinab in die engen Sandsteingassen des Canyons und voilà: ich denke, die Bilder sprechen für sich selbst; dieser Ort ist einer der Hauptgründe, weshalb ich den American Southwest im rein landschaftlichen Sinne über alles Liebe…

  
  
  

Eine Liebeserklärung im Hochformat…

   
   
   

Von dieser fast schon tiefgründigen Liebe zu einer ganz anderen, eher oberflächlichen, aber nicht minder imposanten Begegnung: von Page aus wagten wir den Drive ins höllisch heisse, weil tiefer gelegene und der Sonne gnadenlos ausgelieferte Utah. Bei meinem letzten Besuch im Dezember waren fast sämtliche Nationalparks wegen starkem Regen- und Schneefall geschlossen. Um etwas kühlenden Regen wären wir jetzt im Juli mehr als froh gewesen. Doch, Niederschläge blieben trotz den sich auftürmenden Wolken aus, und wir kämpften mit den grausigen Temperaturen (geschätzte 45 Grad den Tag durch) und der erbarmungslosen Trockenheit im Arches National Park, dem ersten Must-Do unseres Utah Trips. Die steinigen Arches, Natural Bridges und feurigen Felsschuppen im sympathisch kleinen Park habens in sich. Als sich die Sonne am ersten Abend im Arches NP hinter den Bergen verzog und den „Delicate Arch“ (Bild 1) in orange-goldenes Licht tünchte, kam mir in den Sinn, was Sean – einer der NAU Outdoor Guides, mit denen ich im November in Arizonas Slot-Tälern umher canyoneerte – über Utah sagte: „this place is an unfuckingbelievably beautiful wilderness playground“…

  
  
  
  
  

Sean, man verzeihe ihm die unzimperliche Wortwahl, hatte mehr als Recht: Utah – das zeichnete sich bereits im Arches National Park ab – ist schlicht „unfuckingbelievably beautiful“…

   
   

So long ond Grüess us San Francisco…

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Eine Antwort zu Unfuckingbelievably Beautiful

  1. Ursula schreibt:

    Hoi Samuel, Julia und Benedikt
    der nächste und vermutlich letzte Besuch ist bei dir eingetroffen. Ich wünsche euch dreien einen tollen Amerkia-Schlussspurt! Natürlich bin ich gespannt, was dann auf der Fotogalerie wieder zu sehen ist. Hey, die Aufnahmen sind, wie soll es auch anders sein: Genial!!!!
    Apropo Hitze und Wetter: zur Zeit lässt Petrus in vielen Gegenden Ping-pong Bälle tanzen. Hitze und dann Gewitter mit Regengüssen; gemütlich, wenn man zu Hause ist.
    Liebe Grüsse
    Ursula

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