Open Water

Das Konzept ist erstaunlich einfach: eine kleine Gruppe von Menschen landet durch irgendwelche Umstände mitten auf dem offenen Ozean, auf sich alleine gestellt, ohne Möglichkeit, Hilfe zu holen. Sie sind ausgeliefert: den Launen des Wetters, dem kalten Wasser und, nicht zuletzt, all den unheimlichen Kreaturen, die sich in immer grösserer Zahl einfinden und bedrohlich ihre Kreise zu ziehen beginnen… Open Water I & II, das sind Filme, die man sich besser nicht anschaut, bevor man in die Badeferien fährt oder sich einen Segeltripp hinaus aufs weite Meer gönnt. Aber, ich bin ja hier nicht in den Badeferien, und einen Segeltripp kann ich mir per Se nicht leisten. Leisten kann ich mir gerade mal ein Kayak und eine Schwimmweste. Doch, auch das reicht, um in Open Water-artigen Umständen zu landen…

Das Pineapple Park Hostel, in das ich nach einer Rundreise um die Big Island heute wieder zurückgekehrt bin, bietet neben tollen Dorms und ultraschneller WiFi-Verbindung im Palmengarten auch Kayaks, die man sich für 30 Dollar am Tag mieten kann. Im Lonelyplanet steht geschrieben, dass Meer-Kayaken auf der Big Island ein „Must“ sei. Und da das Wetter perfekt und meine sportliche Motivation einigermassen gross war, hab ich mir ein Kayak gemietet und bin die steile Strasse hinunter zur Kealakekua Bay gefahren. Ich streifte mir die Schwimmweste über, schaffte es nach einigen Fehlversuchen, den Kayaksitz richtig zu montieren,  habe meine Dry Bag mit etwas Proviant und meiner Kodak Einweg Unterwasserkamera vollgestopft und bin – wohl ziemlich ungeschickt – „gewassert“. Um das vorwegzunehmen: meine Kayak-Erfahrung beschränkt sich auf eine etwa dreissigminütge Paddeltour auf einem Bündner Bergsee. Ich war damals 15 und nahm im Rahmen eines WWF-Jugendlagers an der geleiteten Kayak-Tour teil. Ich bin also nicht gerade, was man als gestandenen Kayaker bezeichnen würde. Natürlich liess ich mir das nicht anmerken und paddelte möglichst gleichmässig hinaus aufs offene Meer. Es war wunderbar ruhig, und ich war erstaunt darüber, dass niemand anders hier draussen rumpaddelte bei diesen fantastischen Bedingungen. Ich paddelte und paddelte und genoss die ruhige See, das Plätschern meiner ungeübten Ruderschläge und den leicht bewölkten Himmel, der sich in den tiefen Wassern unter mir spiegelte.

Und dann hörte ich hinter mir ein Schnauben. Ich schaute vorsichtig zurück und sah, wie vier Buckelwale nacheinander geschätzte fünf bis zehn Meter von meinem Kayak entfernt auftauchten. Es war überwältigend, diese Tiere, die ich in den vergangenen Tagen immer wieder von Land oder von grossen Whalewatch-Booten aus beobachtet habe, nun so hautnah zu erleben. Ich hatte keine Angst, nur Freude und ein Glücksgefühl, das mich vergessen liess, wer hier neben mir im „Open Water“ soeben auftauchte. Die Wale sind, soviel ich weiss, äusserst friedliche Tiere und fressen Plankton. Sie sind aber auch bis zu 20 Meter lang, wiegen an die 40 Tonnen und brachten mein Kayak alleine durch ihr Auftauchen gewaltig ins Schwanken. Ich sass da, staunte, redete leise vor mich hin und konnte meinen Augen kaum glauben. Die Wale zogen ganz langsam weiter, immer noch schnaufend (zum ersten Mal in meiner Whale Watch Karriere hörte ich nicht nur das Ausschnaffen, sondern auch das dumpfe Zuklappen der Schnauflöcher) und immer noch faszinierend. Ich legte das Paddel auf meine Knie und drehte mich zu meiner Dry Bag, um die Kodak-Kamera hervorzugrübeln. Und dann machte mir meine Unerfahrenheit bezüglich Kayaks einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel aus dem Boot, mitsamt Dry Bag und Paddel. Jetzt kam mir „Open Water“ ganz plötzlich in den Sinn. Ich geriet für einen kurzen Moment in Panik, packte das Kayak, hievte mich zurück ins Boot und klemmte die Dry Bag zwischen meine Knie. Die Wale störte das alles nicht. Sie tauchten ab, und ich schnaufte ganz gewaltig. Mein grösstes Problem: das Paddel lag noch immer im Wasser, ausser Reichweite. Ich versuchte, ihm mit den Händen rudern näher zu kommen, ohne Erfolg. Sind Wale friedlich? Ja, und sie sind abgetaucht. Gibts hier sonst irgendwelche mehr oder weniger friedlichen Tiere? Ich weiss es nicht. Ist jemand hier, der mir im Notfall zu Hilfe kommen könnte? Nein. Also: rein ins Wasser und Paddel holen. Ich holte das Paddel, und schwamm ziemlich schnell zum Kayak zurück. Die Wale waren weg. Ich telefonierte meinem Vater, ohne vom Kenter-Zwischenfall zu erzählen, schliesslich will man ja seine Eltern nicht unnötig beunruhigen (du siehst Pa, um rumzulöölen brauchts nicht mal ein zweites Boot. Ein paar Wale reichen…).

Das Zurückpaddeln dauerte ewig lange. Und ich war ziemlich froh, als ich beim Captain Cook Monument an der Nordseite der Keakekula Bay ankam. Ich sass etwa eine Stunde lang auf den Lavafelsen vor dem Monument und schaute hinaus aufs Meer. Die Wale waren noch da, weit draussen. Ich verstaute meine Dry Bag und paddelte in die Mitte der Bay, von wo aus ich mit meiner Kodak die Bilder 1 und 2 schoss. Bild 3 entstand auf dem Rückweg zum Hafen, wo zwischen mir und meinem Ziel zwei weitere Wale aus dem Nichts auftauchten und mir diesmal ziemlich Angst einjagten. Ich hielt an und wartete, bis die Tiere abtauchten, bevor ich „schnurstracks“ zum Hafen zurückpaddelte. Wildlife hautnah; so hautnah, dass es mir fast ein wenig unheimlich wurde…

Weniger dramatisch war mein Schnorkeltripp zum Molokini-Atoll in Maui. Mit etwas Verspätung hier ein paar Bilder dazu…

Auf dem selben Trip machten wir Halt in „Turtle Town“, wo ich ein paar „close encounters“ mit den gutmütigen Panzerträgern hatte. Als Lückenfüller diene für einmal ich selbst; ein Kodak-Selbstportrait im Hafen von Kealakekua, unmittelbar nach meinem Open Water Trip…


Aloha!

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Eine Antwort zu Open Water

  1. Ursula schreibt:

    Hoi Samuel
    hättest du wie dein Pa dich in jungen Jahren rudersportlich betätigt, dann wäre das Kajak fahren ein Kinderspiel gewesen… nun die Frage, bist du der Wale wegen aus dem Gleichgewicht gekommen oder war es die Unerfahrenheit im schmalen Boot auf hoher See???? Zum Glück ist alles gut gegangen. Amerika versinkt im Schnee… dann ab zum Iglu bauen und warm anziehen .
    Liebe Grüsse
    Ursula

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