Starke Winde wehen im Norden Oahu’s, und meterhohe Wellen klatschen im Minutentakt gegen die Küsten und Strände. Es scheint, als wehre sich die Natur mit all ihrer Kraft gegen diese Insel, die vor ein paar Millionen Jahren als Überbleibsel von gewaltigen Vulkanausbrüchen entstand. Das Wetter ist (mindestens in meiner Zeit hier) bisher meist stürmisch und die Region scheint, wenn man sich die Dörfer und Strassen anschaut, arm. Crystal Meth, hier besser bekannt als „ice“, gehört offenbar zum Speiseplan eines beträchtlichen Teils der Bevölkerung. Überall wird mit Plakaten und Werbeschildern auf die Konsequenzen von „ice“-Missbrauch aufmerksam gemacht, und mancherorts wird man als Tourist vor den „ice“-Dealern gewarnt. Diese Welt scheint weit weg von Waikiki mit seinen weissen Stränden und luxuriösen Shoppingmeilen. Und trotzdem, es ist schön im Norden Oahu’s, wo sich Kelly Slater und Konsorten jedes Jahr zur Surf-Weltmeisterschaft treffen, wo einsame Strände zum Verweilen einladen, wo an den Strassenrändern Kokosnüsse und aufgeschnittene Ananas verkauft werden und wo man sich – mindestens als Lost-Fan – immer wieder fragt: hab ich dies und das nicht schon mal irgendwo gesehen?
Meinen ersten Stop auf der Reise gen Norden machte ich am Nuuanu Pali Lookout, von wo aus man eine tolle Aussicht auf die „Windward Coast“ (die Ostküste) hat. Nuuanu Pali Lookout, das ist übrigens jener Ort, an dem ich mit Geister-Joe auf der nächtlichen Tour schon mal war und an dem es Nachts von Orbsen nur so wimmelt. Des Tages sieht hier aber alles ganz friedlich aus. Die alte Strasse, die vom Highway im Tal zum Lookout hochführt, wird langsam von der Natur zurückerobert. Es ist alles schön grün und ruhig. Interessant ist die Geschichte des Ortes. Ende des 18. Jahrhunderts haben sich hier verschiedene hawaiianische Stämme bekriegt und um die Herrschaft über Oahu gekämpft. Mehrere hundert Krieger sind offenbar von ihren Gegnern über die steilen Klippen hinuntergestossen worden. Das erklärt vielleicht all die Orbse…
Ganz im Osten der Insel habe ich den kurzen, aber wegen der gleissenden Sonne doch anstrengenden Hike hinauf zum Makapuu Point unter die Füsse genommen…
Der Byodo-In Tempel, ein Nachbau eines alten japanischen Originals, ist vor allem deshalb beeindruckend, weil bei der Konstruktion kein einziger Nagel verwendet wurde…
Eindrück von der „Windward Coast“…
Entgegen den Behauptungen von Lonely Planet ist es in keinem der Beach Parks an der Nordküste möglich, spontan zu campen. Im Gegenteil: auf Schildern wird mit Bussen und Auto-Abschleppen gewarnt, wenn man beim illegalen Campen erwischt wird. Etwa um Mitternacht meines ersten Nordküsten-Tages habe ich die Suche nach einem Campingplatz deshalb aufgegeben und mich für eine Nizza-Style Schlafstelle entschieden. Nizza-Style heisst: Auto am Strassenrand parken, Sitz runterklappen und off-dozen. Gemeinsam mit Juli und Beni habe ich das in Nizza mal gemacht, und wenn man in Nizza Nachts am Strand nicht ausgeraubt wird, dann nirgendwo. Kurz nach vier Uhr in der Nacht erwachte ich, ohne zu wissen weshalb. Nach ein paar Sekunden hörte ich lautes Klopfen an der Fahrertür. Ich starrte hinaus in die dunkle Nacht und sah eine Taschenlampe aufblitzen. Was nun? „Good morning sir!“, schrie jemand da draussen. Das tönt nicht nach einem ice-Dealer, dachte ich mir. Eher nach Polizei. Und tatsächlich, als ich ausstieg und mir etwas verträumt die Augen rieb, wurde ich von einem Herr in Uniform gemustert. Ich rechnete damit, eine Busse zu kriegen, für „illegal camping“ oder „illegal parking“. Und ich fühlte mich nicht in Form, dagegen zu argumentieren, als sagte ich unaufgefordert: „I’m sorry, I did not find any other place to stay.“ Der Polizist blieb ernst. „That’s your business.“ Also keine Parkbusse? Was dann? „Sir, you know your trunk is open, do you?“ Nein, das wusste ich nicht. „I passed and saw that your trunk was open. Be careful, someone will take all your stuff.“ Ok, vielen Dank. Ich drehte mich zum Kofferraum, der war tatsächlich offen. Es fehlte nichts. Ich schloss ihn und bedankte mich nochmals. „Alright, have a good night.“ Und weg war er. Ich setzte mich wieder ins Auto und schlief – mit geschlossenem Kofferraum – friedlich weiter. Gesetze und Gesetzeshüter, das sind hier wohl zwei etwas verschiedene Dinge. Jedenfalls habe ich inzwischen schon dreimal Nizza-Style am Strassenrand übernachtet, ohne je Probleme zu kriegen. Und, ich weiss auch, weshalb der Kofferraum offen war: unten, neben dem Gaspedal, hat es einen kleinen Hebel, mit dem sich der Kofferraum öffnen lässt. Den habe ich im Schlaf wohl versehentlich runtergedrückt. Aber, dafür habe ich inzwischen eine Lösung gefunden, eine mormonische. Und das ging so:
Auf meiner Reise weiter gegen Norden fuhr ich gestern an einem strahlend weissen Tempel vorbei, der sich am Ende einer langen Palmenallee deutlich vom dunkelgrünen Regenwald in seinem Rücken abhob. Ich kehrte um und fuhr die Allee hinauf, „gwundrig“ was das wohl sein könnte. Ich stieg aus und sah neben dem Parkplatz ein „Visitor Center“; immer eine gute Anlaufstelle in Nationalparks, Monuments und anderen Dingen. Ich trat ein und sah an der Wand eine riesige Jesusstatue, die mich in ihre Arme schliessen wollte. Am Ende der hellen Halle sass eine schön gekleidete ältere Dame, die mich begrüsste und fragte, ob ich auf einen Freund warte. „No, I’m here on my own. I would like to see the temple.“ Oh, der Tempel sei für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Nur „members of the church“ dürften ihn betreten. Welche Church? Die Mormon Church. Ich sagte ihr, dass ich gar nicht gewusst hätte, dass es auf Hawaii Mormonen gäbe. Und das überzeugte sie offenbar bereits davon, dass ich mich für ihre Kirche interessiere. Sie lud mich ein, doch einen ihrer Filme anzuschauen, und, wenn ich wolle, dann würde sie sicher eine „sister“ finden, die mich ein bisschen auf dem Gelände rumführen könne. Ich wurde in einen topmodernen Kinosaal geführt und schaute mir eine kurze Dokumentation über die Mormonen auf Hawaii an. Nach Filmschluss öffnete sich vorne eine Tür, zwei junge Frauen in luftigen Hawaii-Gewändern traten ein und stellten sich als „Sister Brown“ und „Sister Alexandrovka“ vor. Ganz ehrlich; ich habe nie attraktivere Nonnen als diese beiden gesehen und mir vorgestellt, wie mich die alte Lady draussen in der Wartehalle bereits als zukünftiges Mitglied ihrer Kirche abbuchte. Ich lächelte die beiden „Schwestern“ an und sie lächelten zurück, mit der Frage, ob ich Lust auf eine kleine „Führung“ hätte. Ja, sicher. Was folgte war ein rund zweistündiger Versuch, mich von meinem Pfad abzubringen und mit den beiden zusammen zu beten. Das „Visitor Center“ war offensichtlich eine Tarnung. Das hier war keine erste Anlaufstelle für Touristen, die sich den Tempel anschauen wollten. Das war eine Bekehrungsstätte erster Güteklasse. Die Führung endete damit, dass ich den Mormonen-Ladies meine Email-Adresse (die Spam-Adresse) gab und dafür eine Gratis-Kopie des „Book of Mormons“ erhielt, in Leder gebunden! Ich solle das lesen, und darauf achten, wie mich das Buch verändert. Vielleicht mach ich das dann mal. Vorerst aber hat das Buch einen anderen Zweck. Es liegt aufgeklappt auf dem kleinen Hebel neben dem Gaspedal, und verhindert, dass ich nachts unbeabsichtigt meinen Kofferraum öffne. Diesen Job erledigt das „Book of Mormon“ tadellos. Vielleicht steckt ja doch mehr in diesen Seiten, als ich mir denke. Das Beste an der ganzen Geschichte: ich habe es geschafft, Teile der Bekehrungsversuche der beiden sisters heimlich zu filmen. Here you go…
Giovanni’s Shrimp Truck in Kahuku: die besten Shrimps, die ich je gegessen habe! Das will was heissen. Als Lückenfüller dient Konrad die Krabbe, mit der ich mich am Sunset Beach unterhalten habe, die mich aber kurz nach dem Foto „attackierte“. Zur Rache bestellte ich mir am Abend in Haliewa einen Avocado-Krabben Salat…
Sonnenuntergang am Waimea Bay…
Heute bin ich durchs Waimea Valley spaziert; ein Ort voll wunderschöner Pflanzen und intensivem Blumenduft…
Mitten in der Hügellandschaft im zentralen Oahu liegt die Dole Plantation, die einstmalige Herkunft all unserer Büchsen-Ananas (heute kommen die, glaube ich, aus Thailand). Neben Ananas gibts da auch das grösste Labyrinth der Welt. Nicht weit davon entfernt liegen die „Birth Stones“; ein Ort, an dem einst eine hawaiianische Frau den zukünftigen König zur Welt gebracht haben soll. Und dann sah ich noch dieses Schild…
Aloha! Ich melde mich bald aus Maui…