Kennt ihr die alten Sherlock Holmes Filme, in denen der Star-Detektiv zusammen mit Dr. Watson in seinem staubigen Londoner Büro sitzt und über die ungelösten Rätsel der Welt nachdenkt? Dieses Büro, oder besser, die Art und Weise, wie es in diesen Filmen dargestellt wird, hat mich immer fasziniert. Grosse Fenster, durch die goldenes Sonnenlicht einfällt und die tausenden von Staubpartikel in der Luft in ein glimmerndes Schleier-Meer verwandelt. Dieses Büro, in dem alles in Sepia-Tönen scheint, und das trotz der Unordnung unglaublich cozy und gemütlich aussieht. Wer diese Stimmung mal live erleben möchte und vergeblich auf eine Einladung ins Büro von Good Ol’ Sherlock wartet, der soll nach Los Angeles reisen und sich mit viel Zeit und Muse in die Wartehalle der Union Railway Station im Zentrum der Stadt setzen. Hier sieht es ziemlich genau so aus wie im Büro des Schnüffler-Genies, einfach ist alles ein paar Nummern grösser. Riesige, matte Glasfenster, eine hölzerne Decke von der grosse Kronleuchter herunterhängen, warmes Sonnenlicht, das durch die Fenster und Türen herein scheint, viel Staub und – was alles noch gemütlicher macht – leises Vogelgezwitscher von den hunderten von Spatzen, die hier zwischen den bequemen ledernen Wartesesseln herumhüpfen. Es ist trotz der vielen Leute gemütlich ruhig und entspannt hier, keine Hektik, viel Gelassenheit. Die Union Station ist der schönste Ort LA’s, den ich bisher gesehen habe. Und ich bin froh, hier drei volle Stunden auf meinen Zug nach Flagstaff warten zu dürfen.
Und damit ist schon eines gesagt: Floyd irrte sich: we made it to LA. Zwar nicht wie geplant in meinem Subaru, aber Hauptsache, we made it. Die Reise im gemieteten Ford Mustang Cabrio führte Chregi und mich nach Lake Havasu City, von wo aus ich das letzte Mal bloggte. Die Stadt hat eine spannende Geschichte. Anfang der 1960er Jahre versteigerte die Londoner Stadtverwaltung die London Bridge. McCulloch, ein amerikanischer Tourismus Investor, kaufte die gesamte Brücke, liess sie nach Arizona verschiffen und dort inmitten der Wüste wieder aufbauen. Als die Brücke stand, wurde der Colorado River umgeleitet und unter der Brücke hindurchgeführt. In einer dritten Phase wurde rund um das Ganze eine kleine Stadt im englischen Stil erbaut: Lake Havasu City. In der Wüste eine Brücke bauen und danach Wasser suchen, das man unter der Brücke durchführen könnte, das macht Sinn, oder?
Unser Ford Mustang Convertible…
Nächste Station war die kalifornische Stadt Palm Springs, ein eher künstlicher Ort mit Mainstream-Charme und erstaunlich guten Margaritas. Von Palm Springs aus kurvten wir mit dem Mustang durch den wunderschönen Joshua Tree National Park und schließlich hinein in die zivilisierte Wucht von Los Angeles. Wir schauten am Venice Beach mit seinen alternativen Kunstgalerien und Drogendealern vorbei und fuhren den Mulholland Drive mit all seinen Multi-Millionen-Villen auf und ab. Am 31. Dezember ist Chregi zu meinem Bedauern wieder nach Hause gereist. Es war richtig gut, gemeinsam mit einem alten Freund zu roadtrippen und durch viele Hochs und ein Motoren-Tief zu gehen. Danke Chef!
Der Joshua Tree National Park… Zum Zvieri gab es das Original US-Kriegs-Menü 24, das ich von einem Soldaten geschenkt bekam. Besonders gut schmeckten die Patriotic Sugar Cookies…
Venice Beach: zum ersten Mal an der Pazifik Küste…
Sylvester verbrachte ich etwas vereinsamt am Airport in LA, wo ich auf meinen Flug wartete, der mich am frühen Morgen des 1.1.11 nach Toronto bringen würde. Das letzte Gespräch im Jahre 2010 führte ich mit einem Officer des LAPD, der mir seine McDonalds Fries anbot. Er möge keine Pommes Frites, und die bei McDonalds hätten ihm zur Feier des Tages gleich zwei Tüten gegeben. Ich lehnte dankend ab und wünschte ihm ein gutes neues Jahr.
Mein Kurztrip zu meinen Tanten, Onkeln, Cousinen und Schwestern in Toronto war ein Fest der Sinne. Endlich hatte ich mal wieder ein richtiges Schweizer Fondue, schaute mir im Kino “King’s Speech” an (sehr empfehlenswert!), saß neben dem wohl lautesten Popcorn-Esser Nordamerikas, bowlte mir erfolglos die Finger wund und fühlte mich in der gemütlichen Stube der El Riffays richtig wohl.
Hesch gseh, Beni, n’Bulle…
Eher ungemütlich war das Warten auf das Interview mit der Zollbeamten am Flughafen in Toronto. Zwar hatte ich alle nötigen Papiere, Visa und Schreiben bei mir und wurde von Onkel Yasser akribisch auf das Visums-Interview am Zoll vorbereitet. Und dennoch war es ein ungutes Gefühl, einem Menschen gegenüberzusitzen, der frei über mein “Schicksal” und die Fortsetzung meines amerikanischen Traumes entscheiden konnte. Mrs. Lyles blinzelte mich finster an und fragte, wo ich hinwolle, für wie lange und weshalb. Ihr Kopfschütteln während meinen Ausführungen machte mich nervös. “You wana get in this country for seven months, just for travelling? Boy, you cannot do that.” Eine Antwort auf meine “why not“ erhielt ich nicht. „I can give you six months“, sagt Mrs. Lyles bestimmt. „But after that, you have to get out.“ Sie erklärte mir, dass es seit dem Homeland Security Act keine Touristen Visa für mehr als sechs Monate mehr gäbe, und dass ich – falls ich kurz nach Ablauf meines Touristenvisums versuchen würde, mit einem neuen Visum wieder einzureisen – Gefahr laufe, einen Visums-Ban zu erhalten und mir das Recht verweigert würde, je wieder die USA zu betreten. Alles ziemlich düster, und alles nicht so, wie ich es eigentlich plante (en typische „Ah OK“ Momänt, Chregi ond Juli…). Ungeplantes handle ich inzwischen aber mit erstaunlicher Gelassenheit. Ich bedankte mich bei Mrs. Lyles für das Visum und wartete auf den Flieger zurück nach LA.
Bis am 3. Juli darf ich in diesem Land bleiben. Danach will man mich hier nicht mehr. Man kann nicht verstehen, weshalb jemand mehr als sechs Monate durch die Schönheit dieser Landschaften reisen und in diese Kultur eintauchen möchte. Six months, and that’s it. Ausser, man bleibt illegal, wie es geschätzte 30 Millionen Menschen in den USA tun. Ich werde mich ihnen nicht anschliessen, sondern die USA wohl bereits im Juli Richtung Canada verlassen. Dort bin ich auch ohne Visum willkommen. Und, Canada soll ja auch ganz schön sein.
So long, ond allne es guets Neus!
Hey Samuel
Heute sind wir in deine Welt eingetaucht und haben in Erinnerungen an unsere Reise im 1997 geschwelgt. Deine tollen Fotos (zum Teil praktisch an identischen Orten aufgenommen) und spannenden Texte haben heftiges Fernweh aufkommen lassen. Wir wünschen dir weiterhin eine tolle Reise, möglichst ohne unliebsame Überraschungen, aber mit vielen spannenden Kontakten!
Frieda und Noldi
Hallo Samuel
2x 6 Monate in den USA reicht den Amis, wenn der Schweizer Student mit guten Tests an der Uni die einheimischen Studenten in den Schatten stellt und dann stink frech mit einem Mustang Cabrio durch die Gegend fährt. Dein Entscheid, den Visums-Stopp zu aktzeptieren ist weise. Und wenn im Juli dann nicht USA oder Kanada, dann haben wir in der Schweiz auch eine Menge schöne und spannende Gegenden. Viel Glück und heb sorg
Liebe Grüsse aus der Schweiz
Ursula und Stefan
P.S. läuft alles wieder mit deinem Laptop?
Hallo Samuel, man lernt wohl nie aus im Leben. Warum nur sind die Amerikaner
so stur. ? Und alle wollen immer und immer wieder dieses Land besuchen.
Wir wünschen dir a happy new year and all the best. Mit grosser Freude lesen wir
deine Berichte, sie sind sehr faszinierend und spannend geschrieben. Mach`weiter so
und wenn du zürück bist, beschreibst du deine Reise in einem Buch !!!! Das wär`s.
Ganz liebe Grüsse Gertrud und Josef.