Short Notes, December 11th

Vergangene Woche haben wir in der Europa-Klasse Henri Alleg’s „La Quéstion“ in einer englischen Übersetzung gelesen. Henri Alleg wurde als französischer Soldat im Algerienkrieg gefangengenommen und von algerischen Behörden grausam gefoltert. In der Diskussion hat sich einer der Studenten gemeldet und gesagt, er verstehe nicht, weshalb Regierungen Menschen zu wilden Tieren umprogrammieren, die dann dazu gebraucht werden, um andere Menschen zu Foltern. Ich habe ihm widersprochen und gesagt, dass man Menschen leider nicht erst umprogrammieren müsse, damit sie grausame Dinge tun. Ich habe mich dabei an einen Film über das Stanford Experiment erinnert. Wir hatten den Film irgendwann mal an der Kanti vorgeführt bekommen. Im Experiment wurden 24 junge Männer aus einer Masse von Freiwilligen ausgesucht und für zwei Wochen in ein nachgebautes Gefängnis im Keller der Stanford University gebracht. 12 wurden als Wärter, 12 als Gefangene eingeteilt. Die Aufgabe: Aufstände der Gefangenen vermeiden und Verstösse gegen die Grundregeln (immer Aufessen, nicht ungefragt sprechen etc.) verhindern. Das Experiment wurde am sechsten Tag abgebrochen, nachdem mehrere der Männer schwer verletzt wurden und das Gewalt-Level untragbar hoch wurde. Vergewaltigungen und psychischen Misshandlungen gehörten an diesem Punkt zur Tagesordnung. Sechs Tage und 24 Freiwillige braucht es also, um Menschen zu grausamen Taten zu bringen. Und das ist nicht Hollywood, sondern ein real durchgeführtes Experiment.  –  Ich weiss nicht, weshalb aber ich habe mir den Film über das Experiment in der amerikanischen Version („The Experiment“) gerade vorhin noch einmal angeschaut. Er ist beeindruckend. Ich bin schockiert.

Heute Nachmittag hatte ich einen Termin beim Arizona Department for Motor Vehicles. Grund für meinen Besuch: ich musste die Fahrprüfung American Style nachholen, da meine Autoversicherung sich mit meinem Schweizer Fahrausweis nicht zufrieden gab. 31 Fragen, einen Sehtest und eine zehnminütige Testfahrt später hatte ich den Ausweis. „You’re a good driver“, lächelte die Examinatorin nach der Prüfung. „Thanks, I’ve been doing it for a while“, lächelte ich zurück. Den Ausweis habe ich also, leider ist er aus Visa-technischen Gründen aber nur bis zum 17. Januar gültig. Danach muss ich wieder in Flagstaff vorbei, und mir den Ausweis erneuern lassen (falls man mich mit meinem Touristenvisum überhaupt wieder einreisen lässt). Um administrative Hürden kommt man hier nicht rum. Das gilt für Amis in der Schweiz aber wahrscheinlich auch. Nun gut, wenigstens werde ich hier vorläufig nicht ausgeschafft.

Heute war mein letzter Tag an der NAU. Nächste Woche stehen die „Finals“ an. Danach ist Schluss mit Ernst. Den Tagestiefpunkt setzte einmal mehr Prof. David A. Nesheim. Die Abschlussdiskussion seiner Recent American History Class drehte sich um 9/11. Er fragte in die Runde, ob sich jeder erinnern könne, wie er auf die Attacken damals reagiert habe. Den Abschluss machte Nesheim selbst. „When I saw it, my first thought was: WOW, are they gonna make a video-game out of this?“ Ich freue mich darauf, bald wieder an einer richtigen Uni mit richtigen Professoren zu studieren. Das hier ist in vielerlei Hinsicht eine akademische Frechheit. Ein vielleicht etwas vernichtendes Fazit, das aber – meiner Ansicht nach – leider nicht ungerechtfertigt ist.

Absolutes Highlight des Tages war ein Frässpäckli von Dave, das ich auf dem Office abholen mußte, weil es nicht in meinen Briefkasten paßte. Unter vielem anderen war da eine Bündner Nusstorte drin! Über Bündner Nusstorten habe ich mich seit ich denken kann immer gefreut. Aber noch nie so sehr wie heute. Eine Bündner Nusstorte, das ist hier etwas ganz Spezielles. Und meine Sorgen ums diesjährige Weihnachtsessen sind damit wohl auch erledigt. Danke Dave!

Das wars von den Short-Notes. Ein Live Mitschnitt der Gedankengänge eines alleine zu Hause Sitzenden.

À bientôt…

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5 Antworten zu Short Notes, December 11th

  1. Galliker Isabelle schreibt:

    Lieber Samuel
    leider habe ich mein mail bei deinem allerersten eintrag gemacht. claudia hat mir nun gezeigt, wie ich es machen müsste. nun also meine nachricht:
    ich danke dir ganz herzlich für die gelungene Überraschung deines photokalenders, den mir dein vater gestern übergab. der kalender gefällt uns sehr gut und er wird uns ein jahr lang erfreuen und an dich erinnern, ganz herzlichen dank. ich hoffe, dass diese e-mail dich auch erreicht und sonst habe ich christian bereits geschrieben, dass er dir danken soll. ich wünsche euch beiden eine tolle zeit zusammen. auch wünschen wir euch ein schönes weihnachtsfest, wie immer ihr das auch feiern werdet! gute fahrt bis L.A., viele eindrücke und hoffentlich nicht immer schlechtes wetter. fürs 2011 alles gute und wir werden uns ja sicher mal wiedersehen, wenn du dann im sommer zurück bist. hebets guet und take care. ganz liebe grüsse von isabelle galliker und familie

  2. Carolyn P. schreibt:

    So I tried to seen you an email to the address you gave me and it got denied. so you should give it to me again so I can send you the awesome email I wrote!

  3. Estermann Gertrud schreibt:

    Hallo Samuel,
    mit Begeisterung lese ich deine Reiseberichte. Die sind ja super. Ich werde deinen
    blog weiterhin verfolgen. Ein schönes, harmonisches Fest und alles Gute für 2011.
    Herzlichen Gruss Gertrud und Jos.

  4. Dave schreibt:

    Ah guet isch es acho, han scho befuerchtet, dass es irgendwo haenge blube isch, ich hoff mal es isch nuet schlecht worde oder kaputt gange (v.a. di ‚feine‘ chips 😉 ).
    gruss dave

  5. Ursula schreibt:

    Viel Glück für den Endspurt in Flagstaff! Freue mich, wieder von dir zu hören. Sind soeben von unserem Kurztripp nach Augsburg zurückgekehrt. Waren mit Angi und Jörg am Christkindli-Markt und bekamen eine tolle Stadtführung von Dieter und Gerti ( Freunde von Angi und Jörg).
    Also toi toi toi und liebe Grüsse
    Ursula & Stefan

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