Trust Tim

Es war fast schon eine Verzweiflungstat, als ich vorige Woche – zurück von einem weiteren deprimierenden Mechaniker-Besuch mit meinem vierten potentiellen Auto – auf der Suche nach einer Gallone Milch durch die endlosen und zu später Stunde gespenstisch leeren Walmart-Alleys streunte und mich von den unzähligen, attraktiv verpackten Billigprodukten ablenken liess. Irgendwo im Gang-Gewirr des Flagstaff South Walmart kam ich an einem Regal mit Spielwaren vorbei. Plastik-Puppen, Plastik-Gewehre, Plastik-Cartoon-Figuren und… Plastik Modellautos. 97 Cent das Stück. Ich kaufte mir eines. Ein schnittiges, eines dieser surreal designten, das auf keiner realen Strasse je zugelassen würde, oder wenn, dann nur unter Dauer-Protest aggressiv heulender Highway-Patrouillen. Anyway. Ich habe mir also dieses 97 Cent-Plastik Gefährt gekauft. Immerhin, ein Anfang auf meinem langen Leidensweg zum vierrädrigen amerikanischen Freund.

Doch dieser Leidensweg liegt nun hinter mir. Als ich vor gut 10 Tagen ein Email vom Büro für Internationale Beziehungen der Uni Zürich zugeschickt bekam, in dem ich darauf aufmerksam gemacht wurde, dass sich mein Austausch langsam dem Ende zuneigt, wurde mir bewusst, dass die Zeit auch hier im Wilden Westen nicht stillsteht (obwohl man das manchmal durchaus denken könnte). By the way, sorry für den Schachtelsatz. Aber schliesslich ist das hier keine Zeitungskolumne. Hier darf ich das! Of das Email abe (auf Hochdeutsch lässt sich das irgendwie nicht so griffig formulieren, also of Schwiizerdütsch) habe ich meine Auto-Suche noch einmal intensiviert und bin kurzentschlossen zu den Wurzeln zurückgekehrt. Back to the Roots, back to Gus (der Eric heisst). Gus hatte in seinem mir bestens bekannten Autoyard seit Wochen einen stabil dreinschauenden Subaru Forester stehen, den ich mir ab und zu aus der Ferne angeschaut habe. Der Preis-Tag auf der Windschutzscheibe hat mich aber jeweils davon abgehalten, eine nähere Bekanntschaft mit dem Subaru zu wagen. Doch, wie schon Jacques XIX sagte: desperate times call for desperate measures. Also Augen zu und rein.

Die Testfahrt mit dem Forester war ein wahres Erlebnis. Zum ersten Mal habe ich mich gewagt, mit einem Testwagen ins Offroad-Gelände auszuweichen und holprige Hügel rauf und steile Abhänge runter zu rattern. Nicht, dass ich das auf meinem Roadtrip allzu oft tun werde. Aber, in den Youtube-Reviews zum Subaru Forester wird das Auto stets als „hervorragend im Offroad Gelände“ bezeichnet. Das wollte ich selbst nachprüfen. Im Anschluss an meine ersten Gehversuche im eigenen Offroader brachte ich den Forester zu Tim, dessen Werkstatt an der Route 66 mir empfohlen wurde. Auf der Mechaniker-Testfahrt, auf die mich Tim mitnahm, hörte ich zum ersten Mal in meinem langen Suchprozess etwas Positives über das Objekt meiner Begierde. „That seems to be a nice car“, meinte Tim nach der Rundfahrt durchs Flagstaffer Hinterland. Sein Fazit nach dem Werkstatt-Check: „There’s nothing wrong with it. You’re totally ready to go.“ Das war Musik in meinen Ohren, Balsam für meine Seele, der Kick-Off für meinen Kauf-Entscheid.

Ich musste mich fast zusammenreissen, als ich bei Gus einparkte. Schliesslich sollte mir Eric nicht auf den ersten Blick ansehen, wie begeistert ich vom Forester war und wie gerne ich ihn haben würde. Remember: play wise and play hard. Ich setzte meine ernste Kritiker Miene auf und mich zu Eric ins Büro. Die gut 7’000 Dollar, die das Auto inklusive Taxen und Nummer gekostet hätte, lagen weit über meiner Schmerzensgrenze. Ich erzählte Eric von meiner langen Suche, von meinen Roadtrip-Träumen, von fernen Zielen… „Ok, I got ya. 6 grand.“ – „5.“ – „Man, I can’t do this.“ – „5.5“ – „You gotta understand me…“ – „Alright, I give you 5.6 and stop bothering you.“ – „Deal.“ Ein Handschlag, ein paar Unterschriften, ein Anruf bei Viseca (die aus Sicherheitsgründen den „verdächtig hohen Betrag“ blockierten) und off we went.

Die Nummernschilder werden mir in den kommenden Tagen per Post zugeschickt. Morgen rufe ich bei der Geico-Versicherungsgesellschaft an. Und dann ist das Roadtrip Team komplett. Ich bin mehr als erleichtert. Ich bin richtig froh und glücklich. Und ganz nebenbei bin ich jetzt auch sozusagen ein Schulbuch-Beispiel für die hierzulande gängige „conspicious consumption“ (sowas wie Konsum zur Selbstdarstellung). Mein 2003 Subaru Forester XS (mit Allradantrieb, automatischem Sunroof und viel street experience) ist nämlich ein ganz klein wenig grösser als der Toyota 4-Runner, den sich mein Nachbar letzte Woche gekauft hat. HA!

Zum Ende dieses langen Kapitels hier ein paar Schnappschüsse meines neuen Roadbuddies. Im Hintergrund sieht man übrigens den frisch verschneiten Humphreys Peak. Es wintert langsam hier. Die Pulli-Zeit bricht an. Und nirgendwo gibt es heisse Marroni…



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Eine Antwort zu Trust Tim

  1. Ursula schreibt:

    Dann kann man endlich gratulieren 🙂 Ein schnittiges Auto hast du dir angelacht.
    Liebe Grüsse
    Ursula

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