Mein wortgewaltiger Mitbewohner Jeff hat mir schon ein paar Mal vom Orpheum erzählt und von der Stimmung in diesem Lokal geschwärmt. Heute Abend machte ich mich gemeinsam mit Jacob auf, um diese scheinbare so tolle Stimmung live zu erleben. Das Orpheum ist ein alter Kinosaal inmitten von Downtown Flagstaff, vom Erscheinungsbild her ähnlich wie das Zürcher Uto-Kino. Gedimmtes Licht, weich schluckende Sessel und eine in die Jahre gekommene Tapete. Momentan ist das Lokal Host des „Flagstaff Mountain Filmfestivals“, das sich „independent“ auf die Flagge schreibt und mit einem attraktiv klingenden Programm von über 25 Filmen lockt. Heute Abend standen neben zwei mässig begeisternden Kurz-Animationsfilmen zwei Weltklasse-Dokumentationen auf dem Programm. Die erste Doku, „The Asgaard Project“, ist ein Film über den Extrembergsteiger Leo Houlding, der den nord-canadischen Asgaard-Berg in 16 Tagen unter unmenschlichen Bedingungen erklimmt (und sich dabei unglaublicherweise konstant filmt). Hauptfilm des Abends war die amerikanische Dokumentation „Sons of Perdition“ (den BBC in Grossbritannien als „Escape the Cult“ auf die Leinwand bringen wird). Ein Film über drei Teenager, die den Klauen der Fundamental Ladder Day Saints (FLDS) entfliehen und sich mit grosser Anstrengung ins normale amerikanische Alltagsleben zu integrieren versuchen. Gemeinsam mit ihrem in die Schlagzeilen geratenen Guru Warren Jeffs leben die Ladder Day Saints in Colorado City. Polygamie, Vergewaltigung und Zwangsheirat stehen auch heute noch an der Tagesordnung. Töchter werden im Alter von 12 Jahren mit teilweise über 80-jährigen Sektenmitgliedern verheiratet. Söhne werden in der Wüste ausgesetzt, da sie im polygamen System nicht als Stammeshalter gebraucht werden und überflüssig sind. Das passiert jetzt. Und knapp 150 Kilometer nördlich von hier. Es war beeindruckend und bewegend, Einblick in diese Gemeinschaft zu erhalten, auch wenn der Eindruck vorerst nur via Kinowand vermittelt wurde. Das „First Amendment“ der amerikanischen Constitution lässt es zu, dass solch fanatisch-verblendete Splittergruppen ihren „Glauben“ in diesem Land ausleben können. Es ist offenbar schwierig bis unmöglich, die Sekte an sich auszuhebeln. Warren Jeffs sitzt zwar inzwischen in Texas im Gefängnis, wegen hundertfacher Vergewaltigung. Die Sektengemeinschaft besteht – mit neuem Guru – aber weiterhin. Es wird spannend sein, diesen skurril-abscheulichen Ort mit der eigenen Kamera erkunden zu gehen. Das darf man, erstaunlicherweise.
Vorerst führten mich meine Reisepläne diese Woche aber einmal mehr nach Süden. Auf meiner Suche nach dem perfekten mobilen Partner für die kommenden Monate nahm ich den weiten und schönen Weg nach Phoenix erneut auf mich und staunte auch beim zweiten südwärts-Trip über die wunderschöne Landschaft und die riesigen Kakteen-Felder, die man bereits kurz nach Flagstaff auf fünfspurigen Highways durchkreuzt. Kurz vor Phoenix machte ich einen Stopp am vielversprechend klingenden „Sunset Viewpoint“. Ich parkte Glenns Wagen und folgte erwartungsvoll dem Trail zum Aussichtspunkt. Etwas enttäuscht stellte ich fest, dass es vom „Sunset Viewpoint“ aus nicht viel zu sehen gibt ausser weiter, staubiger Wüste, ein paar Felsen und Kakteen-Gestrüpp. Doch, je länger ich dastand, umso mehr packte mich dieser Ausblick. Genau das ist es doch eigentlich, was ich hier erleben will. Diese Weite. Dieses Fehlen von Grenzen. Dieses riesige Nichts voll staubiger Schönheit. South-West pur. Und das ganz für mich alleine. Ich werde beim nächsten Trip gen Süden wieder halten hier und dieses Nichts geniessen.
Meine Testfahrten in Phoenix mit zwei Volvos verliefen wie gewohnt: guter Eindruck meinerseits, erfolgreiche Preisverhandlungen mit den Dealern, und dann ein erschlagendes Verdikt der Mechaniker. Bottom-Line auch des zweiten Phoenix-Ausflugs: ich kann mir das nicht leisten. Ich werde mich in den kommenden Wochen wohl wieder auf dem lokalen Markt umsehen und darauf hoffen, dass jemand seinen sich in Topzustand befindenden Volvo V70, Dodge Grand Caravan oder Subaru Outback genau hier für maximal 4000 Dollar verkaufen will.
Hauptärgernis des zweiten Phoenix Ausflugs war aber nicht der gescheiterte Autokauf, sondern der New Yorker TV- und Radio-Host Glenn Beck. Mr Beck, dessen Talkshows (in denen er selbst Gastgeber, Gast und Kritiker ist) landesweit auf verschiedenen Radio- und Fernsehsendern ausgestrahlt werden, verbreitet von seinem Büro in Midtown Manhattan aus jenes Gedankengut, das schockierenderweise Millionen von Anhängern findet und dieses Land potentiell direkt an den Abgrund führen könnte. Beck ist eine der Gallionsfiguren der Tea Party Bewegung, die sich von der republikanischen Partei lossagte, um ihr (wie es der Name ja andeutet) revolutionär-extremistisches Gedankengut ausserhalb der festgefahrenen Parteigrenzen ausleben zu können. 2012 wird die Tea Party Bewegung voraussichtlich versuchen, ihre Kandidatin Sara Palin auf Obama’s Thron zu hieven. Glenn Beck unterhielt sich im Radio auf meiner Rückfahrt nach Flagstaff mit sich selbst über das amerikanische Bildungssystem, Obama’s Gesundheitsreform und Atheisten. Leider kann ich ihn nicht word by word rezitieren (Donald Duck im untenstehenden Video kann es), seine Meinung aber verfing sich unwiderruflich in meiner zart-besaiteten Polit-Seele. Beck rief die Amerikaner dazu auf, ihre Kids aus den Colleges und Highschools zu nehmen und ihnen innerhalb der Familie die „real education, about life and how to live“ zu fördern. Das amerikanische Bildungssystem sei „broken“ und es sei fatal, immer mehr Geld in die Bildungsinstitutionen des Landes zu investieren. „You don’t need THEIR education. You yourself can do it better“, mahnte Glenn landesweit. Ein Aufruf, der mehr als verstörend wirkt, vor allem wenn man bedenkt, wie viele Amis Beck anhimmeln und ihn als ihren Kron-Intellektuellen über sämtliche gebildeten Meinungsmacher dieser Nation stellen. Noch erstaunter war ich, als Beck über Obama’s Gesundheitsreform herzog und (in diesem Fall erinnere ich mich an den Wortlaut) sagte, Obama’s Helfer seien „the closest thing to a modern Nazi Gestapo that I have ever seen“. Es ist schwierig, dieser Aussage überhaupt etwas entgegenzustellen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie es sich ein landesweit ausgestrahlter Host erlauben kann, diesen Vergleich ohne juristische Konsequenzen öffentlich aufzustellen. Es stimmt mich traurig zu hören, wie ignorant und unflätig man in diesem wunderschönen Land offenbar mit bestimmten Themen umgeht. Glenn Beck schoss den Vogel meiner Meinung in dem Moment ab, als er erklärte, dass die Evolutionstheorie (mein grosses Heiligtum) nur bei“ignorants and blind liars“ Unterstützung finde. Beck „widerlegte“ die Evolutionstheorie mit folgendem Vergleich: er behauptete, in der Welt könne nichts aus sich selbst heraus entstehen, da der natürliche Wandel nicht ein produktiver, sondern ein in sich zerfallender sei. Zerfall regiere also die Natur und die Welt. Man müsse nur einen Buick nehmen und ihn für 500 Jahre in ein Kornfeld stellen. Wenn man dann wieder hingehe, dann fände man ein Stahlgerüst und rostige Nägel. Wenn man aber handkerum ein Stahlgerüst und rostige Nägel in ein Kornfeld legen und 500 Jahre warten würde, dann fände man danach ganz sicher keinen Buick. „This proves that there is no such thing as evolution. Decay, I say it again, decay is what rules this world.“ Und wer sich von Gott abwende oder seine Existenz abstreite, dem bleibe nichts als decay. … Was sagt man dazu? Was hätte ich dem begegnet, wäre ich Gast bei Glenn Beck gewesen? Wie reagiert man adequat auf diese Äusserung? Ich bin überfordert mit diesen Fragen, und es zermürbt mich, dass ich einem so billigen und kurzsichtigen Aggressor im Stillen klein beigeben muss. Inside USA: ich hoffe, dass Glenn Beck nicht offenbart, was inside dieses Landes brodelt. Ich hoffe, dass viele im Stillen denken: what an ignorant he is!
Hier ist Glenn Beck im Originalton in einer kritisch-gedachten Disney-Adaption zu hören. Donald ist getrickst, Glenns Stimme ist echt.
Die Six-Pix von heute sind „pretty random“, ohne wirkliches Konzept, einfach ein paar Eindrücke. Ich bin sicher, unser morgiger Trip zum Antelope Canyon gibt fototechnisch mehr her als die letzten Tage…
„Nothing in Biology Makes Sense Except in the Light of Evolution“ – Dobzhansky
De glenn beck vs. naturgsetz, so so. Es beginnt mit eme klassische fehler vo öpperem wo öppe sovell ahnig vo evolution hed wie ech vo südkoreanischem freejazz. logisch entstoht kei buick. Autoteil sind kei lebewäse oder hesch schomal beobachtet wie sech dini pneus teilid oder gar babypneus züged. Wenn mer aber en same ufes feld rührt, wachst en baum ond denn en wald. D’Evolutionstheorie wo hüt uf stabilere fundament alsd Theorie vode schwerkraft stoht, macht nume ussage über lebewese oder genauer gseid sache wo sech vermehred ond informatione ad nochkomme wiitergebid. Was de glenn beck versucht hed is lächerliche z’zieh isch d’entstehig vo läbe us ned-lebende materialie (Abiogenisis heissts uf em englische wiki) ond de prozess findet vor de evolution statt. Ond das sech ned-lebendi materialie spontan selber organisiered, chan mer ganz eifach selber beobachte. Leer mol salatöl in wasser ond stuun, wie sech chlini öl-kügeli zämefendid ohni s’magische zutue vomne schöpfer/hobbytöpfer. Oder wart eifach druf bis sech wasserdampf us de atmossphäre in immerneue fanatastische forme selbstorganisiert, wenn de atmossphäre wärmeenergie entzoge werd. Mer seid dene dinger au schneeflocke.
Decay rult d’welt tatsächlech, wenn mer uf di todesfixierti wüstereligion lost ond hofft d’apocalypse trefft bald i. Biologe send vell optimistischer ond erchennid das us jedem zerfallenede blatt, nois läbe entstoht. LIFE RULZ!
Wer sech defür intressiert wie mer kreationiste debunked chan http://www.youtube.com/user/Potholer54debunks luege. No besser isch aber sini „from the big bang to us – history of the universe made easy“ serie
http://www.youtube.com/user/Potholer54#p/c/DB23537556D7AADB
Wer sech für evolution intressiert, chani di vorlesige zom darwin johr empfehle http://www.darwinyear09.ch/index.php?id=7