Fifty on black & Hütchenspiel

Irgendwo in meiner Bez-Zeichnungsmappe, auf die all meine Klassenkameraden (ausser Stephy Kasper) mit Neo-Color ihren Namen gekritzelt haben, liegt eine Farbstiftzeichnung, die ich unter kundiger Aufsicht von Andreas Kägi irgendwann zwischen 12 und 15 angefertigt habe. Zum Thema Fluchtpunkt. Die Zeichnung zeigt einen ins Bild hineinführenden Highway, an dessen Seite ein geknicktes Holzschild steht, das die am Horizont in die Höhe ragende Metropole Las Vegas ankündigt. Der Highway auf meiner Zeichnung führt durch eine öde, mit Kakteen gespickte Wüste. Las Vegas scheint eine unwahre Erscheinung inmitten dieser Öde. Und trotzdem; die Zeichnung kommt der Wirklichkeit verblüffend nahe. Mit dem gesamten IC fuhren wir vorvergangenes Wochenende in einem topmodernen Mini-Van gen Westen, hinaus aus der kühlen Bergwelt des nördlichen Arizonas, hinein in die brennende Hitze der Wüste Nevadas, hin zur leuchtenden Sin City. Die wechselnden Landschaften auf dem gut vierstündigen Trip sind faszinierend. Am eindrücklichsten wirken die Bergketten in Nevada, die am Horizont hinter der rot-braunen Sand- und Geröllwüste himmelblau in den dunstigen Himmel ragen. Das Farbspiel wirkt surreal. Man möchte aussteigen und sich durch die Sandwüste hin zu diesen blauen Bergen schleppen. Doch die schiere Hitze (Bullhead City, das auf der Strecke liegt, ist der im Jahresschnitt heisseste bewohnte Ort Nordamerikas) macht dies unmöglich. Fast ebenso beeindruckend ist das strahlende Lichtermeer, als das uns Las Vegas in den frühen Abendstunden willkommen hiess. Der New Yorker Times Square, auf dem es auch morgens um drei Uhr taghell ist, strahlt im Vergleich zum Strip (der 6 Kilometer langen Hauptstrasse der Sin City) etwa so hell wie ein Villmerger Räbeliechtliomzog auf der Unterdorfstrasse. Es blinkt, es funkelt, es glüht wahrhaftig aus allen Ecken. Und dies mitten in dieser endlos scheinenden Wüste, in der zivilisiertes Leben unmöglich scheint.

Man kann sich nun fragen, ob Las Vegas den Stempel „zivilisiert“ überhaupt verdient, oder ob das Ganze nicht eine pervers übersteigerte Energieverschwendung für ein paar verlorene Gambler und Sexsüchtige ist, die man der wachsenden „Go Green“-Bewegung in diesem Land zum Abschuss freigeben sollte. Man könnte sich fragen, ob es sinnvoll ist, inmitten Nevadas eine Wasser und Strom verschlingende architektonische Hure aufzubauen. Man könnte kritisieren, dass man an diesem Ort statt auf Vernunft und Rücksicht auf Verschwendertum und elektronischen Overkill setzt. Man könnte Vegas ankreiden, dass es Unmoral und Selbstverherrlichung fördert in einer Zeit und Welt, die mehr Mitgefühl und Empathie braucht. Man könnte. Und doch, ich werde die Kritik für einmal lassen. Denn, abgesehen von all dem: Las Vegas ist schön, sehr schön sogar. Man fühlt sich wie in einem überdimensionierten Vergnügungspark. Spiel und Spass werden grossgeschrieben. Es ist ausgesprochen sauber entlang dem Strip. Die Architektur (ein Nachbau Manhattans im Kleinformat, ägyptische Pyramiden, riesige römische Palast-Konstrukte, ein kleiner Eiffelturm…) beeindruckt. Ein purer Gegenentwurf zur historisch gewachsenen Baukunst Europas, die mit den Epochen ging und ihrem Stil meist für lange Zeit treu blieb. Jahrtausende schmiegen sich in Las Vegas kunstvoll aneinander. Kontinente verschmelzen zu übernationalen Kunstwerken. Las Vegas hat mich irgendwie begeistert. Ich gebe das gerne zu.

Wir haben uns für unseren Trip eine Suite im Planet Hollywood gebucht. Vier Betten für sieben Leute, eine tolle Aussicht auf den südlichen Strip und ein Badezimmer so gross wie mein gesamtes Pine View Apartment. Die zu klärende Frage: wie teilt man sich zu siebt vier Betten? Die einfache Antwort: wer zuerst der Müdigkeit erliegt, wer nicht mit dem Rhythmus der Sin City mithalten kann, wer also als einer der ersten drei nach Hause zurückkehrt, schläft auf dem Boden. Die weichen Betten sind für harte Männer mit langem Atem reserviert. Eine gute Regel, die tapferes Wachbleiben und Durchhaltewillen im blinkenden Sumpf belohnt. Ich schlief zweimal im Bett. Was das heisst, könnt ihr euch vorstellen. Die zweite Nacht hatte ich allerdings etwas Mühe, meinen Platz zu erkämpfen. Kamerad Arnold, in dieser Nacht mein vermeintlicher Bett-Partner, lag falsch herum und quer auf der Matratze und war nur mit grossem Effort wachzukriegen. Im Halbschlaf versicherte er mir mehrfach, dass er mich liebt und dass ich beautiful sei, bis ich ihn mit einer Not-„Flättere“ wachkriegte und ihm weismachte, dass ich nicht Angela sei, die er offenbar zu etwas früherer Stunde mit „nach Hause“ brachte.

Früher an diesem Abend haben wir in eben dieser Suite ein kleines Shooting durchgeführt. Die nagelneuen Anzüge und Accessoires wollten wir bildtechnisch festhalten. Die Ergebnisse des Shootings seht ihr hier:

Spieltechnisch brachte mir Las Vegas übrigens kein Glück. Zum ersten Mal in meiner Gambel-Karriere (die sich auf zwei Besuche im Grand Casino Baden und einen Besuch im Casino Monacos beschränkt) verliess ich einen Spielsaal mit negativer Bilanz. Diese blieb jedoch im zweistelligen Dollar-Bereich, und was ist heutzutage schon ein zweistelliger Dollarverlust? Alles also halb so wild. Die Hauptschuld am finanziellen Minus trug unser IC-Entscheid, im Anzug und mit Sonnenbrille geschlossen aus unserer Suite direkt ins Planet Hollywood Casino runterzugehen und – ohne zu Zögern – 50 Dollar pro Mann auf Schwarz zu setzen. „Fifty on black“, das war leider die falsche Entscheidung.

Der zweite Hauptpfeiler der Sin City ist – neben dem Glücksspiel – der weibliche Körper. Von leicht bis gar nicht bekleidet begegnet er einem überall. Ihm auszuweichen scheint hoffnungslos. Von den digitalen Reklame-Wänden herab lächelt einen Holly Madison an, die sich erst kürzlich aus Hugh Hefners Playboy Mansion verabschiedet und ihr Dasein als Strip-Künstlerin zum Hauptinhalt ihres pompösen Daseins erklärt hat. An den Tanzstangen in den Casinos bemühen sich schlanke Make-Up Amazonen um die Aufmerksamkeit der Gambler. Dass Mann bei solchen Anblicken gerne mal höhere Beträge setzt, liegt wohl in unserer Natur. Dazu braucht es kein tieferes darwinistisches Verständnis der männlichen Triebe. Und als die Australier irgendwann am frühen Morgen eine Limousine bestellten, die uns für 62 Dollar drei Minuten die Strasse runterfuhr, und wir Europäer den Aussies geschlossen und wenig ahnend ins „Rhino Spearmint“ folgten, erlebte ich die beiden teuersten Minuten meines bisherigen Lebens. Der an sich schöne Innenraum des Rhino’s ist bis an den Rand gefüllt mit filmreif gestylten „Tänzerinnen“ (Prostitution ist auch in Nevada illegal, man gibt sich also gedeckt), die sich sehr für einen interessieren und wahnsinnig gerne etwas an der Bar trinken würden. Ich machte rechts um kehrt, ging begleitet von der deutschen und finnischen Delegation raus an die leuchtend frische Luft und spazierte zurück zum nun unschuldig wirkenden Planet Hollywood Casino. Etwas später, übrigens, opferte ich meinen schönen neuen Hut meinem Stolz, als ich mit Benedikt im Venetian Black Jack spielte und mich die junge Dame vom Nebentisch meines Kopfschmuckes beraubte mit dem Kommentar: „you get it if I get you.“ Ich sagte ihr, sie dürfe den Hut in diesem Fall gerne behalten und spielte mich unbeeindruckt gebend weiter. Ich habe inzwischen einen neuen Hut. Beim nächsten Mal pass ich besser drauf auf.

Auf unserer Rückfahrt nahmen wir den Umweg über den Hoover Dam. Am meisten beeindruckt an dem Ort hat mich – neben der unglaublichen Hitze – die schöne Agame, die friedlich neben dem Parkplatz graste und mich an Julius, Artemis, Mahalia und Kleopatra erinnerte. Ebenfalls beeindruckt hat mich der „In n’Out“ Burger-Shop, bei dem wir auf einen Tipp von Arnold hin vorbeischauten. In ganz un-amerikanischer Manier bietet das Schnellrestaurant seinen Kunden genau drei Burger an. Dazu gibt es Fries und etwas zu Trinken. Mehr gibts nicht. Keine Extragrössen. Keine Zusatz-Häppchen. Keine Have-it-your-way-Optionen. Simpel und einfach. Drei Burger und Punkt. Ich fand das sympathisch. Fastfood für Dummies, sozusagen. Und gar nicht mal so schlecht.

Hier ein paar Eindrücke von unserem Trip nach Sin City. Besonders gefreut hat es mich natürlich, dass man die Highways in Nevada nationalen Helden widmet, zum Beispiel den Veteranen des Global War on Terror…



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2 Antworten zu Fifty on black & Hütchenspiel

  1. Christian Hunziker schreibt:

    Diese Kleidung ist ja mal was ganz anderes als deine Buchstabenhose, sehr elegant:)

  2. BARBI schreibt:

    hallo samuel
    las vegas ist halt eben doch eine reise wert. danke !!!
    weiterhin viel spass, spannende entdeckungen in der näheren und weiteren umgebung von flagstaff und viel glück für alles was du anpackst.
    lieben gruss
    BARBI

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