Off-Campus? On-Campus? Diese Frage stellte ich mir, als ich vor einigen Monaten ernsthaft begonnen habe, meinen Austausch und mein Semester an der Northern Arizona University zu planen. Off-Campus und On-Campus; zwei Arten, als Student in Amerika sesshaft zu werden. Das Konzept des On-Campus Lebens gibt es in der Schweiz (meines Wissens) nicht. Hier in Amerika aber wohnt ein Grossteil der Studierenden in sogenannten Dorms, die in Form schöner Backsteinbauten auf dem ganzen Campus verstreut stehen und verschiedenartige Wohneinheiten anbieten. „at Glenns“ ist beispielsweise eine dieser Wohneinheiten. Glenn wohnt in der McKay Village, der zweit teuersten On-Campus Behausung. Er hat ein eigenes Zimmer, teilt sein Bad, sein Wohnzimmer und seine Küche aber mit einem zweiten Studenten. Ben, Carl, Jacob und V wohnen in Campus Heights beziehungsweise Tinsley, beides Mittelklasse On-Campus Bauten. Sie teilen sich ein Schlafzimmer mit jeweils einem zweiten Studenten und schlafen auf sehr engem und eher düsterem Raum. McDonnell ist die billigste Accomodation auf dem Campus, in der offenbar bis zu vier Studenten in ein Zimmer gepfercht werden. Als Austauschstudent ist es so gut wie unmöglich, im Voraus bestimmen zu können, in welchem der Dorms man untergebracht sein möchte. Wer sich für On-Campus entscheidet, geht das „Risiko“ ein, in einem der eher weniger begehrten Schlafsääle zu landen. Garantie für eine eigenes Zimmer kann einem die NAU keine geben. Ein zusätzlicher Minus-Punkt des On-Campus-Livings: man wird (mindestens erzählen das die einen) dazu gezwungen, einen sogenannten Meal-Plan zu unterschreiben. Man bezahlt für 10, 14 oder 19 warme Mahlzeiten pro Woche und „muss“ diese in einem der Restaurants auf dem Campus einlösen.
Da ich mich von klein auf an ein eigenes Zimmer gewohnt war und nicht auf diesen Luxus verzichten wollte und da ich keine Lust darauf hatte, von den Amerikanern in regelmässigen Abständen mit vorgeschriebenen Meals gefüttert zu werden, entschied ich mich eines Nachts auf meinem IKEA Schaukelstuhl sitzend für Off-Campus. Eine neue Welt tat sich auf, denn Flagstaff hat unzählige Off-Campus Accomodations für Studenten im Angebot. Die Preise für ein Einzelzimmer reichen von knapp 500 bis zu weit über 1’000 Dollar. Einer meiner Favoriten war von Beginn meiner Suche weg die Pine View Village: ein 264 Wohneinheiten zählendes, modernes Flachdachquartier unmittelbar neben dem Campus. Ich bewarb mich, erhielt das Zimmer und bin vor etwas über zwei Wochen schliesslich eingezogen.
Die Pine View Village sieht in echt schöner aus als auf den verpixelten Bildern, die man sich im Internet anschauen kann. Sie liegt etwas abseits der Route 66 an einer ruhigen Nebenstrasse, der South Blackbird Roost. Auf der anderen Roost-Seite liegt der Arrowhead Trailerpark, der trotz dem schlechten Ruf amerikanischer Trailerparks einen ordentlichen und freundlichen Eindruck macht. Die Pine View Village ist mit einem hohen Gitter umzäunt. Die zweistöckigen Häuser sind symmetrisch um eine Art Innenhof angelegt. In diesem Innenhof steht ein kleines Fitnesscenter, das ich mindestens zweimal wöchentlich für knapp zwei Stunden nutze. Es gibt diverse BBQ-Grillplätze, ein paar Bäume, kleine Grasflächen, ein Clubhouse (in dem Sonntags jeweils gratis Food serviert wird), ein Welcome Center (mit sehr freundlichen Mitarbeiterinnen), eine Briefkasten-Wall und ein Waschcenter (der einzige Ort, an dem ich in den USA bisher ferngeschaut habe).
Mein Zimmer liegt im zweiten Stock eines der Eckhäuser der Pine View Village. Es ist geschätzte 20 Quadratmeter gross, hat ein eigenes Badezimmer und einen eigenen Zugang. Die Küche und das Wohnzimmer, in dem ich mich nur selten aufhalte, teile ich mit vier (nicht wie angenommen mit drei) amerikanischen Mitbewohnern. Vor meinem Zimmer hat es einen kleinen Balkon, auf den ich einen Klappstuhl gestellt habe, um Abends im schummrigen Licht der Laternen in den Nachthimmel schauen zu können. Das Fenster gibt den Blick frei auf den Parkplatz vor der Pine View Village. Links und rechts wird der Blick von zwei schönen Ponderosa Pinien eingeschränkt. Damit ihr euch nicht durch jeden der 20 Quadratmeter lesen müsst, hier ein paar fotografische Eindrücke aus meinem Arizona Home:
Ein paar kleine Highlights und Lieblingsspots habe ich bereits: die „international wall“ beispielsweise, oberhalb meines Bettes, an die ich all eure Postkarten pinne. Oder die Früchteschale auf der Kommode neben der Tür, aus der ich mich jeden Morgen bediene. Hinter der Früchteschale staple ich Quarters (25-Cent Münzen, die man zum Waschen und Tumblern braucht). Der „staple of the quarters“ ist jedoch kürzlich eingestürzt und liegt jetzt verstreut hinter der Kommode. Wenn die nächste Wäsche ansteht, muss ich mich dem Problem wohl einmal annehmen. Als POÄNG-Ersatz dient mir der 30-Dollar Target-Klappsessel, riesengross, sehr bequem. Er wird mich – so hoffe ich – für die gesamte Dauer meines Austauschs begleiten. Angelehnt ans „Guetnachtteschli“ (wie das gewisse von euch ja nennen…) steht meine Gitarre, die ich mir letzte Woche in einem Secondhand-Shop gekauft hatte. Eigentlich war ich auf der Suche nach einem Velo. Da sie keines hatten, kaufte ich halt das staubige Klimper-Ding. Macht ja schliesslich auch Spass.
Wer findet, ich solle mein Zimmer umdekorieren oder wer tolle Einrichtungsgegenstände hat (100-Dollar Scheine, mit denen ich die Decke tapezieren könnte; Postkarten aus aller Welt; Schweizer Schoggi für mein „Frässgstell“ neben dem Bad; oder sonst so Sachen…), der kann mir das sehr gerne mitteilen, bzw. zuschicken. Untenstehend noch einmal meine volle Adresse, weil sie so gut tönt.
Mr.
Samuel Schumacher
700 South Blackbird Roost, APT #20
Flagstaff, AZ 86001
USA
Es steht eine weitere Basketball-Session bevor. Die Courts sind nach dem heftigen Gewitter heute Morgen hoffentlich wieder trocken. Am Abend „zeige“ ich euch dann den eindrücklichsten Ort, den ich in meinem Leben je gesehen habe.
fruit bowl – I lllike it. 😉