Die treue insideusa-Fanbase (wenn es sie denn gibt) erinnert sich womöglich an meine grossen Worte im Anschluss an den Besuch im Rocky Mountains National Park, wo ich mich im letzten August leider ohne Erfolg auf die Suche nach einem Bären gemacht habe und danach optimistisch ankündete: „Ich verspreche, dass ich nicht nach Hause zurückkehre, bevor mir nicht mindestens ein aufrechtstehender Bär vor der Linse durchhüpft.“ Elf Monate habe ich gebraucht, bis ich dieses wohl etwas übereilig gemachte Versprechen nun endlich einlösen kann. Aber, besser spät als nie, ne? Anyway, mehr dazu etwa hundert Bilder weiter unten…
Westlich von Dakota liegt Wyoming, ein beachtlich grosser Rocky Mountain Staat, der einem bei der Grenzüberquerung mit einem „Wyoming, Forever West!“-Schild begrüsst und auf den ersten Blick keinen Zweifel daran lässt, dass die Wyomings ihr Motto ernst nehmen. Cowboy-Hüte und Lederstiefel sind Standard in den weiten Strassen der Roadside-Ortschaften, an denen man auf dem Weg in die Rockies vorbeikommt. Die Downtowns der Dörfer sind mit diesen klassischen Holzfassaden bestückt, die weit über die eigentlichen Gebäude hinausragen und mit in Gothic Lettern geschriebenen Slogans („Coin Laundry, 99 Cents“, „McGonogough Groceries“ etc.) verziert sind. Es ist eine friedliche Gegend, das ländliche Wyoming, und eine politisch mächtige. Nicht, dass hier Präsidentschaftswahlen entschieden oder weitreichende politische Entscheide gefällt würden. Aber, die Bewohner Wyomings haben pro Kopf einen so hohen politischen Einfluss wie niemand sonst im Land. Wie das geht? Very well then, ein kurzer Sidestep zum US-Polit-System kann ja nicht schaden: jeder der 50 US Staaten schickt zwei Senatoren nach Washington (in den „Senat“), die in der Hauptstadt die Interessen ihrer Region vertreten. Die zwei Senatoren sind gesetzt, egal, wie gross oder klein ein Staat ist. Zusätzlich erhält jeder Staat eine bestimmte Anzahl Repräsentanten, die ebenfalls nach Washington (in das „House“) geschickt werden. Pro 650’000 Einwohner gibt es einen Repräsentanten. Wyoming hat aber nicht 650’000, sondern nur 560’000 Einwohner. Die Verfassung schreibt dennoch vor, dass jeder Staat mindestens einen Repräsentanten zugesprochen bekommt. Um im „House“ eine Stimme zu haben, brauchen also alle Staaten mindestens 650’000 Einwohner, ausser Wyoming, das sich mit „nur“ 560’000 Köpfen einen Repräsentanten leistet. Die Wyomings sind somit offiziell „over-represented“, und mächtig stolz darauf.
Doch, die politische Macht der Cowboys hier war nicht der primäre Grund meines Besuchs. Gekommen bin ich wegen dem Yellowstone National Park im Nordwesten des Staates. Farbige Geysire, massenhaft Bären und Elche, tiefe Canyons und tosende Wasserfälle: meine Erwartungen waren ziemlich hoch. Wyoming ist aber nur schon auf dem Weg zum eigentlichen Touristen-Hotspot ein wunderschöner Staat. Faszinierend fand ich etwa den „Devil’s Tower“ (Bilder 1-3) ganz im Osten Wyomings. Der Magma-Kegel erhebt sich mitten im Nichts gut hundert Meter hoch in den Himmel und gibt heute noch Rätsel über seinen Ursprung auf. Überrascht wurde ich von den sehr kalten Temperaturen und dem meterhohen Schnee, der vielerorts noch auf den Feldern lag…


Ein besonderes Städtchen im Hohen Norden Wyomings ist Cody, das Epizentrum der 21st Century Rodeo-Kultur. Das „Cody Nite Rodeo“ ist offenbar seit Jahrzehnten ein Klassiker und bei Durchreisenden so beliebt, dass der Bus-Parkplatz vor den Eingangstoren des Rodeo-Stadiums grösser ist als jener vor dem gegenüberliegenden Wal-Mart. Hierzulande heisst das was. Ich habe mich durch die Massen von Deutschen, Engländern und East Coastlern gedrängt und mir auf den vorderen Rängen einen gemütlichen Sitzplatz erobert. Mit einem „pulled pork sandwich“ und ungesalzenem Popcorn gewappnet verbrachte ich die nächsten drei Stunden damit, abwechslungsweise meine Stirn über die primitiven Pausenclowns zu runzeln und die hartgesottenen Kerle zu bewundern, die da unten in der sandigen Manege von allen möglichen Tieren durch die Luft geschleudert und halb zu Tode getrampelt wurden. Ave, Samuel, morituri te salutant…

Die Anfahrt von Cody zum Yellowstone Nationalpark ist spektakulär. Links und rechts des schmalen Highways ragen riesige Felswände in die Höhe, enge Einbahn-Tunnels tragen das Übrige zum Fahrspass bei (hupen, hoffen, fahren) und dann ist da noch der Buffalo Bill Cody Dam, der einstmals höchste Staudamm der Welt, von dem aus man einen leicht verängstigenden Blick in die tiefe Schlucht des Shoshone Rivers werfen kann.
Der Yellowstone Lake im Zentrum des Nationalparks war bei meiner Ankunft (und zu meinem Erstaunen) zu weiten Teilen gefroren. Der Park liegt auf deutlich über 2000 MüM, was ich irgendwie nicht miteinberechnet hatte. Der Canyon Village Campground, auf dem ich für vier Nächte einen Zelt-Platz gebucht hatte, wurde in der Nacht vor meiner Ankunft von einem Meter Neuschnee zugeschüttet, so dass mir nichts anderes übrig blieb, als die erste Yellowstone-Nacht im Subaru zu verbringen und im Morgengrauen loszufahren, um auf einem der weniger hoch gelegenen „first come first serve“ Campgrounds ein Plätzchen zu finden. Ich hatte Glück und fand auf dem Norris Campground einen gemütlichen Spot.
1&2) Der zugefrorene Yellowstone Lake, 3) auf dem Weg zu meinem Campground geriet ich in einen „Büffel-Stau“. Das Tier nahms gemächlich und scherte sich wenig um die wohl über hundert Autos, die sich seinem langsamen Tramp ungeduldig anpassen mussten, 4&5) 1 Meter Neuschnee und Minustemperaturen verdorben mir in der ersten Nacht den Camping-Spass, bevor ich mein Lager am nächsten Morgen auf dem etwas wärmeren Norris Campground (6) aufschlagen konnte…


On Day 2 hikte ich entlang den Rims des Yellowstone Canyons; eine faszinierende Schlucht mit donnernden Wasserfällen und gelb-rot eingefärbten Felsen, die dem ältesten Nationalpark der Welt wohl seinen Namen gaben…




Ein besonderes Vergnügen ist der „Uncle Tom’s Trail“, der auf einer steilen Treppe vom Canyon-Rim hinunter in die Schlucht führt, und dessen eiserne Stufen sich unter der keuchenden Masse der sich hinab und hinauf schleppenden Touristen in den vergangenen Jahren bedrohlich verbogen haben…



Auf dem Rückweg zum Parkplatz begegnete ich einem Koyoten, dessen Jagd-Schedule offensichtlich durcheinander geraten war und der am helllichten Tag über die Felder rund um den Canyon streifte…

Ich hatte meinen Tagesplan so ausgelegt, dass ich pünktlich zum Sonnenuntergang beim Norris Geysir Basin ankam. Die Region ist tagsüber überfüllt mit chinesischen (und anderen, aber vor allem chinesischen) Touristen, die in „America Asia“ und „All About America“-Cars hingekarrt und durchgeschleust werden. Am Abend aber ist das Norris Basin menschenleer. Ich hatte die unglaubliche Stimmung ganz für mich. Es schneite, und doch war es im abendlichen Geysir-Dunst irgendwie angenehm warm. Die Farben, die Dämpfe, die Konturen der abgebrannten Tannen, der Schwefel-Geruch und das dumpfe Gurgeln der heissen Quellen: es war unbeschreiblich schön…




Es ist ein gutes und beruhigendes Gefühl, nach elf Monaten „on the road“ noch immer an Orte zu kommen, die einem mit ihrer Schönheit den Atem rauben und faszinieren. Das Norris Geysir Basin in der Abenddämmerung ist einer jener Orte…


Day 3 war mein Geysir-Day. Ich machte mich auf in den Westen des Parks, um mir die spuckenden und gurgelnden Stars des Yellowstones anzuschauen. Der „Old Faithful“ (Bild 10), der pünktlich um 20.16 Uhr ausbrach, ist wohl der Top-Celebrity unter den Geysiren. Fast noch mehr beeindruckt haben mich aber der „Grand Prismatic Spring“ (Bild 3) und der „Morning Glory Pool“ (Bild 7). Der Grand Prismatic Spring ist die grösste heisse Quelle Nordamerikas und offenbart ihre farbige Schönheit erst richtig, wenn man sie aus der Luft betrachtet. Hier ein Blick auf die Quelle aus der Vogelperspektive. Wie aus einer anderen Welt, nicht?




Die „Farben“ der heissen Quellen sind offenbar nichts anderes als verschiedenartige Algen und Mikroorganismen, die sich je nach Wassertemperatur anders „verhalten“…



Etwas weniger spektakulär, dafür fast schon bemitleidenswert, sind jene Geysire, die im Laufe der Zeit vom Yellowstone Lake „verschluckt“ wurden und jetzt leise und eintönig unter der Wasseroberfläche vor sich hinsprudeln…

Trotzdem, irgendwie hat auch die etwas eintönige Landschaft entlang des Yellowstone Lake Ufers ihren Reiz. In einem der See-Arme habe ich zwei Otter gesehen, die auf dem Rücken schwimmend kleine Äste und Seegras transportierten…


Aber, wen interessieren schon zwei Otter, wenn man on Day 4 auch den „real deal“ haben kann? Day 4 wär mein Bären-Tag. Unverhofft begegnete ich im Laufe des Tages insgesamt sieben Grizzly- und zwei Schwarz-Bären. Aus sicherer Distanz betrachtet sind diese riesigen Wurzel-Fresser richtig „härzig“. Den „bear spray“, eine Art Super-Pfefferspray, den ich mir in einem Jagd-Shop in Cody gekauft hatte, brauchte ich glücklicherweise nicht. Die Bären zogen es vor, mich kurz anzuäugen und danach weiter nach Wurzeln zu graben, sich auf dem Rücken zu wälzen und – as I promised – auf den Hinterbeinen vor meine Linse zu „hüpfen“. Ich kann im August also mit gutem Gewissen nach Hause kommen…



Die Unterscheidung zwischen Schwarz-Bären und Grizzlies ist in den nördlichen Rocky Mountains gar nicht so einfach, wie mir ein Ranger bei meiner dritten Bär-Sichtigung erklärte. Die Farbe ist nicht entscheidend. Im Yellowstone gibts sowohl schwarze Grizzlies als auch graue Schwarz-Bären. Einer der Hauptunterschiede zwischen den beiden Spezien ist der „hub“ auf den Schultern des Grizzlies, der beispielsweise beim Bären auf Bild 1 deutlich zu sehen ist. Der Bär auf Bild 4 hat keinen „hub“, dafür einen ziemlich hohen Hintern, was auf einen Schwarz-Bären hindeutet. Den Bären auf den Bildern 7-9 habe ich vorläufig mal als Grizzly abgehakt. Was meint ihr? Das Exemplar auf den Bildern 10-12 ist aber trotz seiner braunen Farbe ein Schwarz-Bär, denke ich…




Interessant ist die Statistik, die im Yellowstone Newspaper, das einem am Parkeingang überreicht wird, die Titelseite schmückt. Die laut dieser Statistik „most dangerous“ Tiere im Park sind nicht die Bären, sondern die „elk“ („elk“ meint nicht Elch, die heissen „moose“, sondern Damhirsch), dicht gefolgt von den „bison“. Erst an dritter Stelle stehen die Grizzlies. Rang vier gehört den Schwarz-Bären. Ich habe alle vier Begegnungen schadlos überstanden…


Zum Abschluss meines Yellowstone-Trips fuhr ich an die nordwestliche Grenze des Parks zu den „Mammoth Hot Springs“. Das ausgespuckte Wasser der heissen Quellen in diesem Teil des Parks fliesst über treppenartige Felsformationen und hat diesen Stufenfelsen über die Jahrhunderte eine weisse Kalkverkleidung verpasst. Leider regnete es bei meinem Ausflug ziemlich heftig. Vielleicht war es aber gerade der Regen und die aufziehenden Gewitterwolken, die die Mammoth Hot Springs in eine fast mystische Stimmung hüllten…


Und dann diese abgestorbenen Bäume inmitten der schneeweissen Kalkfelder: fast ein wenig morbid…

On Day 5 verliess ich den Yellowstone Richtung Süden, ratterte durch das prärie-artige Hayden Valley und hinein in den Grand Tetons National Park. Wer von mir schon mal mit einer Postkarte beglückt wurde, der kennt die Grand Tetons: sie sind auf der 98 Cents-Briefmarke prominent abgebildet. In den Tetons sah ich – wenn auch gut versteckt hinter dem dichten Gestrüpp – den ersten Elch meines Roadtrips. Die Wildlife-Liste vervollständigt sich langsam…


Es war schön in Wyoming, der letzten Station meines Solo-Trips. Ab Anfang nächster Woche erhalte ich Gesellschaft aus der Bundeshauptstadt. Bis dahin habe ich Zeit, mich in Flagstaff etwas auszuspannen, meinen ausgepowerten Subaru loszuwerden und ein paar Blog-Posts, die mir schon lange im Kopf rumschwirren, einzutippen…

So long…
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